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Abschlussbericht des Forschungsprojektes zur Entwicklung neuer ...

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Portfolio in der Waldorfschule<br />

seien. Die Portfolioarbeit ist eine hervorragende Basis, um wirklich dem persönlichen<br />

Schicksal, den persönlichen Eigenheiten der Schüler ganz nahe zu kommen, ohne<br />

dass dies zu persönlich und „therapeutisch“ würde, denn das Portfolio ist auch immer<br />

wieder ein sehr hilfreiches Instrument, um Objektivität und Distanz herzustellen, wenn<br />

das nötig wird. Allerdings: Dies gelingt nur mit Lehrern, die sich im Prinzip auf solche<br />

Prozesse einlassen wollen und die dabei auch glaubwürdig – authentisch – sind.<br />

Ein erhebliches Problem der Portfolioarbeit ist ihre Schrift- und damit<br />

Papiergebundenheit. Bisher hat noch niemand einen vernünftigen Vorschlag für eine<br />

Alternative entwickelt, zumal dann nicht, wenn man an die Portfolios offen, also<br />

induktiv von den Erfahrungen herangeht und nicht „deduktiv“ von irgendwelchen<br />

Referenzen (Kompetenzvorgaben) ausgeht, zu denen lediglich Belege gesucht werden<br />

sollen. Letzteres lässt sich zwar weitgehend formalisieren und erheblich einschränken,<br />

verliert aber den Charakter eines offenen Inventars von persönlichen Lernerfahrungen.<br />

Letztere wiederum drohen, in Papierbergen zu versinken und völlig unübersichtlich zu<br />

werden.<br />

Für viele Schüler ist das vollkommen abschreckend, und sie wehren sich<br />

verständlicherweise gegen diese Papierflut, ähnlich wie die Lehrer, die ja alles lesen<br />

sollen, was da produziert wird. Es handelt sich hier, grundsätzlich betrachtet, um das<br />

alte Problem der Polarität von Stoff und Form, von dynamischer Lebensflut und<br />

Ordnung, von Dionysos und Apollon. Es kann helfen, den Schüler dies nicht als ein<br />

abstakt-philosophisches Problem, sondern gerade anhand der Portfoliofrage als<br />

Lebensproblem nahe zu bringen und ihnen klar zu machen, dass ihre Klage über zu<br />

viel Portfoliostoff eigentlich eine Klage über zu wenig Form sein sollte – und diese<br />

Form ist eine Willensfrage, ist ein Problem der persönlichen Entscheidung: Schüler<br />

müssen lernen, ihren Lebenseindrücken, ihren Empfindungsfluten, ihren<br />

Erfahrungsströmen eine Form zu geben, sie – im Falle der Portfolios – literarisch zu<br />

bändigen. Zum Beispiel, indem sie früh üben, Wesentliches von Unwesentlichem zu<br />

unterscheiden. Indem sie lernen, Haupt- und Nebenwege zu trennen. Indem sie der<br />

entmündigenden Idee der Vollständigkeit die Ichleistung der Relevanz entgegensetzen.<br />

Das ist der eigentliche Tiefen-Lernprozess, um den es bei der Portfolioarbeit geht, und<br />

so lange Schüler noch über den vielen Papierkram stöhnen, haben sie diesen<br />

Lernprozess noch nicht abgeschlossen.<br />

Auf die Spitze getrieben wird dieser Lernrpozess, wenn es dann auch noch um die<br />

Außendarstellung bzw. die Wirkung und Nutzung <strong>des</strong> Portfolios nach außen, etwa<br />

gegenüber einem Arbeitgeber geht. Hier ist nicht nur, wie oben schon besprochen, das<br />

bewusste Einbeziehen <strong>des</strong> Kontextes nötig, sondern noch mehr Form, noch mehr<br />

Verdichtung, noch mehr Zusammenfassung, noch mehr „Essenz“. Wir haben gesehen,<br />

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