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Abschlussbericht des Forschungsprojektes zur Entwicklung neuer ...

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Portfolio in der Waldorfschule<br />

dem das Dossier zusammengestellt und formuliert wird. 92 Das „Dossier“ ist die gezielte<br />

Darstellung eines bewusst ausgewählten Ausschnitts aus diesem Material für eine<br />

bestimmte Zielperson oder -gruppe – entsprechend der Grunderkenntnis, dass man<br />

niemandem die sichtbar gewordenen Kompetenzen und ihre Herleitung in ganzer<br />

Breite zumuten kann, sondern sie immer wieder anlassbezogen auswählen und<br />

aufbereiten muss. Das ist in erster Linie eine stilistische Leistung. Erst sie macht<br />

Portfolios überhaupt als öffentliche Äußerungen erträglich (und wirksam), weil sie mit<br />

dem Bewusstsein verbunden sein muss, dass man immer für ein bestimmtes Publikum<br />

spricht und dass man so „gut“ sprechen muss, dass es für gerade dieses Publikum<br />

passend ist.<br />

Auch dies wurde und wird offenbar in den Projektschulen nirgends mit Schülern geübt,<br />

die so gar nicht die Erfahrung machen können, dass man selbstverständlich ein und<br />

denselben Sachverhalt immer wieder anders, immer wieder neu erzählt, je nach dem,<br />

für welchen Kontext er bestimmt ist. Dieser Gedanke hat aufregende Dimensionen –<br />

z. B. identitäts- und rollentheoretische –, von denen man schwer verstehen kann,<br />

weshalb Lehrer sie sich entgehen lassen: Man kann beispielsweise hier lernen, dass<br />

man nicht einfach ein für alle Mal und immer der ist, der man zu sein glaubt, sondern<br />

dass die eigene Person und ihre Darstellung auch immer eine Funktion der jeweiligen<br />

Partner, der „Gegenrollen“ ist. Oder verstößt diese schlichte, allerdings nur<br />

konstruktivistisch formulierbare Alltagstatsache gegen eine (dann sicher ziemlich<br />

ideologische) Vorstellung von „Wahrhaftigkeit“? Damit würde die Schule ihren Schülern<br />

aber einen wichtigen Schritt zu den Ambivalenzen der Erwachsenheit vorenthalten und<br />

ihnen den Eintritt ins Erwachsenenleben nicht gerade erleichtern. Die Deutschlehrer<br />

unserer Schulen haben sich im Zusammenhang mit der Portfolioarbeit eine<br />

wunderschöne Gelegenheit für eine sehr realistische Stilübung und für die Erörterung<br />

vieler sehr wesentlicher Fragen, die sich daran anschließen lassen, jedenfalls offenbar<br />

entgehen lassen…<br />

In aller Regel merkt man dem, was uns als Portfolio vorgelegt wurde, jedoch an, dass<br />

es vom jeweiligen Schüler für seinen auftraggebenden Lehrer, manchmal vielleicht<br />

auch für mehrere Lehrer geschrieben wurde. Diese Portfolios sind dann in dieser Form<br />

für jede außerschulische Verwendung unbrauchbar. Es ist hier offenbar den Schülern<br />

nicht gelungen, sich aus dem schulischen Kontext zu lösen und etwas die schulischen<br />

(Bewusstseins-) Grenzen Übergreifen<strong>des</strong> zustandezubringen. Als schulische<br />

92 Portfolioverfahren unterscheiden sich u.a. in diesem Aspekt der „Außenorientierung“. Das<br />

Verfahren „IPF-q“ aus Solothurn z. B. hat hier, in der Außenpräsentation, seinen Schwerpunkt,<br />

während die Selbst- und Lernreflektion einen eher untergeordneten Aspekt darstellt. Die im<br />

Projekt gewählten Portfolioansätze setzen die Akzente eher genau umgekehrt, weshalb die<br />

Frage der Außendarstellung kaum systematisch bearbeitet wurde, nicht einmal bei den<br />

Bochumer Abschlussportfolios.<br />

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