Sanktionsordnung der SIX und Schiedsgericht DISSERTATION der ...

Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte
sen nicht mitteilen würde, ob eine Untersuchung eingeleitet wurde oder nicht. 508 Diese Auskunft
muss dann aber dem Markt allgemein zugänglich gemacht werden, um den Gleichbehandlungsgrundsatz
zu wahren und die Gefahr von Insiderhandel zu vermeiden. 509 . Wenn
jedoch die Öffentlichkeit über die Eröffnung einer Untersuchung informiert worden ist, so
muss folgerichtig auch das Ergebnis des Verfahrens bekannt gegeben werden. 510 Zu veröffentlichen
sind dabei nicht nur Verurteilungen, sondern auch Freisprüche, was neben der
Vermeidung von Marktverzerrungen und Insiderdelikten 511 auch dem Interesse des Unternehmens
selbst dient: Denn wie bereits STOOSS festhielt, ist es die „Pflicht des Staates“, „den
unschuldig Angeklagten vor jeglichem Verdachte zu bewahren und alles zu thun, was in seiner
Macht ist, um die Nichtschuld des Angeklagten zur öffentlichen Kenntnis zu bringen“ 512 .
Schliesslich dient die weitgehende Publikationspraxis auch der präventiven Information der
anderen Emittenten bezüglich etwaiger Unklarheiten in Bezug auf die Informationspflichten
513 : Die ausführliche Publikation enthält einen grossen Lerneffekt namentlich für die anderen
Emittenten, die so auf allfällige Stolpersteine und Probleme aufmerksam gemacht werden
können. 514
cc)
Grenzen des öffentlichen Interesses
Das Öffentlichkeitsprinzip stösst jedoch an seine Grenzen, wenn Verfahrensbeteiligten Schaden
zugefügt wird. 515 Ausführliche Sanktionsanträge, in denen auch weniger massive – und
somit auch nicht sanktionswürdige – Vergehen aufgeführt werden, können aber für Emittenten
mit negativen Reputationsfolgen verbunden sein. Solche „Vorverurteilungen“, d.h. (auch
formlose) Feststellungen, es liege ein Verstoss vor, wenn dieser nicht formell erwiesen ist 516 ,
508 Entscheid des Ausschusses der Zulassungsstelle vom 24.3.2005 (ZUL/AHP/V/05), Rz. 6.
509 Denn schon das Wissen um eine Untersuchungseröffnung kann Insiderwissen darstellen; zur informationellen
Gleichbehandlung der Kapitalmarktteilnehmer und der Vermeidung von Insiderkonflikten, vgl. NOBEL, Unternehmenskommunikation,
S. 13.
510 SER teilt nicht zuletzt deswegen in der Medienmitteilung zur Untersuchungseröffnung mit, dass sie über den
Ausgang des Verfahrens informieren wird.
511 Ein Beispiel hierfür ist der Fall Barry Callebaut, wo in Insiderkreisen bekannt war, dass ein Verfahren läuft,
weswegen die allgemeine öffentliche Bekanntgabe der Untersuchungseröffnung sowie die spätere Untersuchungseinstellung
unerlässlich waren (Medienmitteilung der SIX Exchange Regulation vom 20. Juli 2010, Sanktionskommission
SIX Swiss Exchange - Keine Sanktion gegen Barry Callebaut wegen unterschiedlichen Auffassungen
zur Rechnungslegung).
512 STOOSS, Motive, S. 72.
513 vgl. bereits die Ausführungen in Abschnitt E.3c zu den Rechtsquellen sowie z.B. Entscheid der Disziplinarkommission
vom 22.7.2002 (DK/AHP/II/02), Rz. 14: Hier erachtete die Disziplinarkommission die Publikation
des Ausgangs eines Verfahrens für sinnvoll, da der Öffentlichkeit mitzuteilen sei, dass auch Mitarbeiter nicht
bevorzugt informiert werden dürften.
514 NZZ Online vom 16. Juli 2009, Moderate Sanktionen bei der SIX haben System.
515 AEMISEGGER, EMRK, S. 14.
516 VILLIGER, S. 315.
- 79 -