Sanktionsordnung der SIX und Schiedsgericht DISSERTATION der ...

Kapitel III: Beurteilung der Sanktionspraxis
So würde ein Handbuch die Sicherheit der Emittenten erhöhen und Neu-Kotierungen den Einstieg
erleichtern.
Die Sanktionsentscheide werden ebenfalls als unzureichend aufbereitete Rechtsquelle bezeichnet:
So ist es oft nicht einfach, herauszufinden, welche die wirklich entscheidenden Sätze
sind. Ausserdem ist die Redaktion der Entscheide nicht immer glücklich: Ein prägnantes
oft genanntes Beispiel ist hier der Vontobel-Entscheid der Sanktionskommission 643 , der die
Problematik der Offenlegung von Inhalt der Festsetzungsverfahren der Entschädigungen so
generell umschrieb, dass gegen fast alle Börsengesellschaften ein Verfahren hätte eröffnet
werden können. Vor diesem Hintergrund wird angeregt, dass die Börse eine Analyse der
Rechtsprechung vornimmt und anschliessend in den Kommentaren klar darauf eingeht, was
ihr nicht gefällt. Es wird sogar vorgeschlagen, die Comment Letters 644 (anonymisiert) zu veröffentlichen
und so allgemeine Aussagen zu CG, Management Transaktionen und der Ad hoc-
Publizität zu machen.
4. Anwendung der Reglemente und Sanktionierung
Als das eigentliche Problem werden jedoch nicht die Regularien an sich, sondern ihre Anwendung
in der Praxis empfunden. Hier wird die SIX als sehr formalistisch beschrieben: Sie
lege die einzelnen Bestimmungen extensiv aus und erschwere damit den Emittenten die Erfüllung
ihrer Pflichten. Zwar wäre ihre Strenge zum Teil verständlich, denn um einen transparenten
und vertrauenswürdigen Finanzplatz zu gewährleisten, müsse die Einhaltung der Regeln
gewissenhaft überprüft werden, die Börse schiesse jedoch über das Ziel hinaus und liste in
ihren Sanktionsanträgen auch völlig belanglose Punkte auf, wodurch der Eindruck einer unverhältnismässigen
und klein-karierten Praxis entstehe. Die extensive Interpretation der Reglemente
gehe auch teilweise über deren Zweck hinaus und schaffe neue Bestimmungen, die
sich so aus den entsprechenden Reglementen nicht ergäben. Beispiele für solche "Überregulierungen"
liessen sich in fast allen Regulierungsbereichen finden: Bei der Ad hoc-Publizität
sorgt die im Lonza-Entscheid aufgestellte Regel, dass jeder Wechsel in der Konzernleitung
als ad hoc-relevant zu beurteilen ist, egal ob es sich um den CEO oder den Leiter Human Resources
handelt, für Diskussionen; während es bei der Corporate-Governance namentlich um
die Frage geht, wie ausführlich das Verfahren für die Festlegung der Entschädigung beschrieben
werden muss. Im Bereich Rechnungslegung schliesslich besteht bei einem principle-
643 Entscheid der Sanktionskommission vom 11.6.2010 (SaKo 2010-CG-I/10).
644 Dabei handelt es sich um Mahnbriefe von SER, mit denen Emittenten auf weniger gravierende Verstösse
aufmerksam gemacht werden.
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