Sanktionsordnung der SIX und Schiedsgericht DISSERTATION der ...

Kapitel III: Beurteilung der Sanktionspraxis
e) Sanktionsempfindlichkeit
Schliesslich ist insbesondere bei der Verhängung von Bussen unter dem Aspekt der Sanktionsempfindlichkeit
auch Rücksicht auf die Vermögenslage, den Umsatz bzw. den Gewinn
eines Unternehmens geboten. 1289 Zu deren Feststellung können wirtschaftliche Kennzahlen in
Betracht gezogen werden, z.B. Umsatz, Betriebsergebnis EBIT, Gewinn, Umlauf- und Anlagevermögen.
1290 Hohe Bussen (z.B. CHF 100‘000) werden demgemäss insbesondere dann
verhängt, wenn sogar die Maximalbusse nur einen Bruchteil von Gewinn und Aktiven ausmachen
würde. 1291 Dies ist sinnvoll, da die Busse dem Unternehmen nicht die finanzielle Grundlage
entziehen darf 1292 und klarerweise für eine UBS eine Busse von CHF 100'000 viel weniger
bedrohlich ist als für ein KMU 1293 . In diesem Sinne hat das Schiedsgericht richtigerweise
auch bei Zwahlen & Mayr die Busse auf CHF 10'000 reduziert. 1294 Die in der Medienmitteilung
erwähnten mildernden Umstände beziehen sich dabei darauf, dass es sich um ein vergleichsweise
kleines Unternehmen handelt, das mit den KMU-typischen Problemen zu kämpfen
hat. Eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unternehmens ist auch
insofern erstrebenswert, als sie einer "Abwälzung" der Busse an die Verbraucher vorbeugt. 1295
M.E. sollte bei der Strafzumessung die Grösse einer Gesellschaft viel allgemeiner eine Rolle
spielen. Denn auch bei der Beurteilung der Compliance-Massnahmen können ein Multikonzern
und ein mittelständisches Unternehmen nicht gleich behandelt werden 1296 : Grosse Unternehmen
(wie z.B. Novartis, Nestlé oder die St. Galler Kantonalbank) haben die Möglichkeit,
Stabstellen für die Einhaltung der Börsenpflichten einzurichten 1297 , während in kleineren Unternehmen
diese Funktion "nebenbei" von Mitarbeitern ausgeübt wird, deren Pflichtenheft
noch andere Aufgaben umfasst. Als Folge kommt es in kleinen Gesellschaften eher zu Pannen,
weil die Stellvertretung die relevanten Normen nicht ausreichend kennt. 1298 Allgemein
1289 FORSTER, S. 269.
1290 Entscheid von SER vom 10.11.2011 (SER 2011-MP-II/11, SER 2011-CG-I/11), Rz. 74.
1291 vgl. z.B. Entscheid der Sanktionskommission vom 8.12.2011 (SaKo 2011-AHP-I/11, SaKo 2011-CG-I/11),
Rz. 38.
1292 BERTOSSA, S. 223.
1293 Dies hat auch SER zutreffend festgehalten; vgl. Entscheid von SER vom 22.11.2011 (SER/RLE/V/11), Rz.
33: „Emittenten mit geringerer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit wird dieselbe Busse tendenziell härter treffen
als Emittenten mit vergleichsweise grösserer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit.“
1294 Medienmitteilung der SIX Swiss Exchange vom 19.12.2008, Ad hoc-Publizität und Informationspflichten:
Sanktionsverfahren der SIX Swiss Exchange AG gegen die Zwahlen & Mayr SA mittels Vergleich beendet.
1295 SCHROTH, S. 215.
1296 CLAUSSEN, Insiderhandelsverbot, S. 72.
1297 Bei Novartis existiert z.B. eigens zu diesem Zweck ein Disclosure Committee. Allgemein geht auch WEBER,
Verantwortlichkeit, S. 143 f., davon aus, dass in grösseren Unternehmen die Vorbereitung und Implementierung
eines Compliance-Konzepts in erster Linie dem General (Legal) Counsel obliegt.
1298 Als typisches Beispiel sei hier auf den Fall Bellimo verwiesen (Medienmitteilung vom 22. Dezember 2009:
Die Sanktionskommission der SIX Swiss Exchange erteilt Belimo Holding AG einen Verweis): Die primär für
- 201 -