Sanktionsordnung der SIX und Schiedsgericht DISSERTATION der ...

Kapitel III: Beurteilung der Sanktionspraxis
Kenntnis zu bringen und deren ordnungsgemässe Anwendung ggf. durch entsprechende Schulungen
sicherzustellen. 1236 Zudem ist zu gewährleisten, dass die börsenrechtlichen Bestimmungen
auch bei Ausfällen und Wechseln eingehalten werden können. 1237
Überdies ist die Praxis von SER, im Rahmen der Voruntersuchungen zunächst Fragen bezüglich
der Organisation des Unternehmens zu stellen und bei nicht zufriedenstellender Beantwortung
auf einen Organisationsmangel zu schliessen, m.E. richtig. Wie sich in den Interviews
gezeigt hat, hat sich die Sanktionierung von organisatorischen Schwächen auch insofern
bewährt, als die sanktionierten Emittenten fast immer anführen, als Konsequenz Strukturen
aufgebaut und klare Prozesse geschaffen zu haben. Die Wirkung der Sanktionierung als
lehrreichem "Damokles-Schwert" ist daher nicht zu unterschätzen.
bb) Bestrafung von Fahrlässigkeit
Im Sanktionsverfahren der Börse wird explizit nicht nur vorsätzliches, sondern auch fahrlässiges
Verhalten geahndet. 1238 Dies ist jedoch umstritten: Beschuldigte Unternehmen haben
insbesondere gefordert, dass nur dort sanktioniert werden dürfe, wo klare Spielregeln vorsätzlich
verletzt würden. 1239 Die SIX hat dem jedoch entgegengesetzt, dass das Selbstregulierungssystem
der Börse faktisch nicht funktionieren würde, wenn eine Sanktionierung nur bei
Vorsatz möglich wäre, da die Ordnung des Effektenmarktes davon ausgeht, dass ein funktionierender
Markt auch nicht von bloss fahrlässigen Regelverletzungen gestört sein soll. Es sei
daher gerade Zweck dieses Systems, fahrlässiges Handeln zu ahnden. 1240
Zur Beurteilung des Verschuldensgrades stellt die Börse insbesondere auf die Kenntnis oder
Erkennbarkeit des Risikos der Tatbestandsverwirklichung sowie die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung
ab: Fahrlässig handelt der Emittent dementsprechend, wenn er die Folgen
seines Verhaltens nicht bedacht oder nicht berücksichtigt hat, während Eventualvorsatz bedeutet,
dass der Emittent den Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs für ernsthaft möglich
hält oder halten muss und ihn für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt. Von Vorsatz
schliesslich wird dann gesprochen, wenn die Regelverletzung bewusst gewollt ist. Der Wille
braucht sich dabei nur auf die Regelwidrigkeit zu beziehen; die Herbeiführung eines Schadens
1236 RYSER, S. 118.
1237 siehe auch Sanktionsentscheid vom 10.11.2011 (SER 2011-MP-II/11, SER 2011-CG-I/11), Rz. 30: Personelle
Abwesenheiten und Wechsel stellen keine Rechtfertigung für die Nichteinhaltung von börslichen Meldepflichten
resp. bundesrechtlichen Vorschriften dar.
1238 Entscheid des Ausschusses der Zulassungsstelle vom 23.1.2007 (ZUL/AHP/IV/06), Rz. 39.
1239 Entscheid der Disziplinarkommission vom 22.7.2002 (DK/AHP/II/02), Rz. 9.
1240 Entscheid der Disziplinarkommission vom 22.7.2002 (DK/AHP/II/02), Rz. 10.
- 192 -