Sanktionsordnung der SIX und Schiedsgericht DISSERTATION der ...

Kapitel III: Beurteilung der Sanktionspraxis
den Interessen des Auftraggebers Beachtung zu schenken. 858 Diese Definition greift m.E. zu
kurz, da Investoren evtl. auch missbräuchliche Geschäfte planen und ein Effektenhändler solche
Aufträge nicht annehmen darf bzw. sogar verhindern muss. Geeigneter wäre es daher davon
auszugehen, dass die Treuepflicht die Wahrung berechtigter Anlegerinteressen sowie
allgemein der Marktintegrität umfasst.
a) Schutzziel
Börsenkurse kommen über die allgemeinen Mechanismen von Angebot und Nachfrage zustande.
Bei der Kursbildung bzw. der Preisbildung für Effekten handelt es sich um eine Bewertung
des Marktes. 859 Dementsprechend definieren Lehre und Rechtsprechung Kursmanipulation
als eine Tätigkeit, die darauf abzielt, einen falschen Preis oder zumindest einen Preis
herbeizuführen, der die reale Situation von Angebot und Nachfrage für ein auf einem organisierten
Markt gehandeltes Gut nicht widerspiegelt. 860 Als zu schützendes Gut wird das Vertrauen
in einen sauberen, unverfälschten und chancengleichen Kapitalmarkt hervorgehoben
861 : Die Kursmanipulation ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt, d.h. der Täter muss den
Kurs nicht wirklich beeinflusst haben; allein die Absicht, dass er wollte, genügt. Somit umfasst
Börsenmanipulation jedes unlautere Ausnützen der Mechanismen des Effektenhandels in
Bereicherungsabsicht. 862 Als Schaden kann die Differenz zwischen dem durch Kursmanipulation
entstanden Kurs und dem Kurs, der sich bei freiem Spiel von Angebot und Nachfrage
eingestellt hätte, angesehen werden. 863 Dem Anlegerschutz kommt insgesamt bei den genannten
Tatbeständen eine grosse Bedeutung zu; einige Autoren gehen bei der Kursmanipulation
sogar so weit, zu behaupten, dass der Teilnehmer am Wertpapiermarkt auch in seinen Vermögenswerten
geschützt wird. 864 Diese Ansicht ist aber m.E. schon deswegen abzulehnen, weil
das zu schützende Rechtsgut in der Botschaft zum BEHG klar als das Vertrauen in einen sauberen,
unverfälschten und chancengleichen Kapitalmarkt – und eben nicht als das Vermögen
der Investoren – bezeichntet wird. 865
858 THALMANN, S. 180.
859 HUBER/KÜNG/KUSTER, S. 118.
860 IFFLAND, Art. 46 BEHG, S. 53.
861 Botschaft BEHG, S. 1428.
862 SCHMID, S. 526.
863 JEAN-RICHARD, S. 264.
864 DONATSCH, Strafrecht, S. 314; STRATENWERTH/JENNY/BOMMER, S. 504.
865 Botschaft BEHG, 1428; zur Gewichtung der Ziele Anleger- und Funktionsschutz vgl. auch die Ausführungen
in Kap. II Abschnitt A.3
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