Sanktionsordnung der SIX und Schiedsgericht DISSERTATION der ...

Kapitel III: Beurteilung der Sanktionspraxis
Die Berücksichtigung der Auswirkungen eines Regelverstosses ist m.E. nicht nur ein sinnvolles,
sondern auch ein notwendiges Strafzumessungskriterium; die Sanktionierung ist schliesslich
kein Selbstzweck, vielmehr steht die Verwirklichung eines transparenten und fairen Kapitalmarktes
im Vordergrund. Dies ist unbestritten, und die Beachtung der Schwere des
Verstosses wird auch von keiner Seite beanstandet. Kritisiert wurde in den Emittentengesprächen
vielmehr, dass die SIX jede Unterlassung der vorgeschriebenen Informationspflichten
sanktioniere, unabhängig davon, ob die Marktteilnehmer einen schweren Nachteil erlitten
hätten oder der ordnungsgemässe Börsenhandel tatsächlich zeitweilig gefährdet war. Ich denke
diese Praxis des Abstellens auf abstrakte Tatbestandskategorien lässt sich jedoch aufgrund
der grossen Bedeutung der zu schützenden Ziele rechtfertigen und der SIX ist meiner Meinung
nach grundsätzlich zuzustimmen, dass durch die Zuwiderhandlungen regelmässig die
Möglichkeit der Verletzung des zu schützenden Rechtsguts erhöht wird. 1199 Mit der Berücksichtigung
des Gefährdungspotentials folgt die Börse darüber hinaus grundsätzlich der Praxis
des Bundesgerichts bei der Strafbemessung: Auch hier ist ein Element bei der Bestimmung
der Tatschwere das Ausmass der herbeigeführten Gefährdung bzw. das Risikopotential der
fraglichen Verhaltensweise. 1200 So hat das Bundesgericht bspw. bei der Verletzung von Strassenverkehrsvorschriften
das Mass der Gefährdung berücksichtigt. 1201 Bei dem zu schützenden
öffentlichen Interesse handelt es sich um ein Polizeigut: die Gewährleistung von Treu und
Glauben im Geschäftsverkehr. 1202 Ein Vergleich mit anderen Polizeigütern - wie der Sicherheit
im Strassenverkehr - ist nicht falsch und es ist meiner Meinung nach daher gerechtfertigt,
dem Emittenten die Verwerflichkeit seines Handelns vor Augen zu führen. Deswegen geht die
Sanktionskommission m.E. auch zu Recht davon aus, dass eine Nicht-Ergreifung geeigneter
Massnahmen zur Verhinderung des Zugriffs nicht-registrierter Händler auf die Börsensysteme
nicht derart geringfügig ist, dass sie ohne Sanktionsmassnahme erledigt werden könnte. 1203
Auch wenn es im konkreten Fall zu keiner Marktbeeinträchtigung gekommen ist, so beinhaltet
der Einsatz nicht-registrierter – und damit wohl auch nicht bewilligter – Händler immer
eine Gefährdung des Marktvertrauens 1204 . Ein Verzicht auf die Sanktionierung würde dieses
Risiko zu wenig berücksichtigen und überdies falsche Signale aussenden.
1199 Entscheid des Ausschusses der Zulassungsstelle vom 23.3.2005 (ZUL/AHP/I/05), Rz. 19.
1200 WIPRÄCHTIGER, S. 846.
1201 BGE 104 IV 35, 37.
1202 vgl. RUFFNER, Entwurf, S. 70.
1203 Entscheid der Sanktionskommission vom 19.4.2010, Verantwortlichkeit des Teilnehmers für das Order-
Routingsystem, Rz. 14.
1204 vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt D.1a.
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