Sanktionsordnung der SIX und Schiedsgericht DISSERTATION der ...

Kapitel III: Beurteilung der Sanktionspraxis
nützen kann. 672 Schon vor diesem Hintergrund ist eine strenge Handhabung der Regeln unerlässlich,
denn wie auch der Bundesrat in der Botschaft zur Änderung des Börsengesetzes festgehalten
hat 673 , kennt die EU ein strenges Insider-Verbot, und eine Diskrepanz zum Recht der
EU kann sich negativ auf den Ruf des Finanzplatzes Schweiz auswirken und einen Standortnachteil
zur Folge haben.
Die Bekanntmachung ist grundsätzlich so vorzunehmen, dass die Gleichbehandlung der
Marktteilnehmer gewährleistet ist. Selektive Informationen an bestimmte Personengruppen
sind grundsätzlich verpönt. 674 Daher hat die Disziplinarkommission im Juni 2007 OC Oerlikon
zu Recht einen Verweis erteilt 675 , als CEO und CFO im Januar 2006 während eines Investorenmeetings
gegenüber 25 Analysten bereits Angaben zu den Unternehmenszahlen
machten, die der breiten Öffentlichkeit erst im Februar 2006 bekannt gegeben wurden. Denn
dieser Wissensvorsprung, den dieser enge Kreis von Analysten während rund eines Monats
hatte, widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz von Art. 1 BEHG.
Die Einführung einer Ad hoc-Publizitäts-Norm bedeutete einen Bruch mit der früheren
Schweizer Tradition der Informationszurückhaltung. 676 Nicht zuletzt deswegen pflegten die
Börsenorgane zunächst eine eher zurückhaltende Praxis bezüglich der Einhaltung der Bestimmung.
677 Mittlerweile haben jedoch - auch unter Einfluss des verstärkten Bewusstseins
der Insiderproblematik 678 sowie dem wachsenden Konkurrenzdruck aus der EU auf den Finanzplatz
Schweiz - die Untersuchungen und Verurteilungen zugenommen, was auf Emittentenseite
naturgemäss nicht unkritisiert geblieben ist. Im Folgenden sollen deswegen die wichtigsten
umstrittenen Aspekte einer sachlichen Analyse unterzogen werden.
a) Kursrelevante Tatsache
Den grössten Diskussionsstoff in Bezug auf die Sanktionierung der SIX von Verstössen gegen
die Ad hoc-Publizität bietet wohl die Frage: Was sind kursrelevante Tatsachen? Gemäss Art.
3 RLAhP handelt es sich dabei um Ereignisse von erheblicher Kursrelevanz, die geeignet
672 NOBEL, Unternehmenskommunikation, S. 130; NOBEL, Finanzmarktrecht, S. 876; HUBER/GRUBER, S. 2.
673 vgl. Botschaft Marktmissbrauch, S. 10.
674 Eine Minderheitenmeinung vertritt hier HOFSTETTER (Gleichbehandlung, S. 222 ff.): Eine effiziente Ungleichbehandlung
ist seiner Meinung nach zuzulassen, wenn sie plausibel eine Mehrung des langfristigen Unternehmenswertes
verspräche und die anvisierte Unternehmenswertsteigerung nicht ebenso mittels einer Gleichbehandlung
aller Aktionäre realisiert werden kann. Eine Intensivierung der Kommunikation mit einem konstruktiven
Grossaktionär hat gemäss HOFSTETTER das Potential, zur langfristigen Unternehmenswertsteigerung beizutragen.
675 Entscheid der Disziplinarkommission vom 18.6.2007 (DK/AHP/III/06).
676 BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, S. 799.
677 so auch: WEBER, Ad-hoc-Publizität, S. 297.
678 vgl. z.B. Handelszeitung vom 7. April 2011, Das Ende der Schonzeit.
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