Sanktionsordnung der SIX und Schiedsgericht DISSERTATION der ...

Kapitel III: Beurteilung der Sanktionspraxis
enthalten kann, d.h. dass jeder Text unvermeidbar "lückenhaft" ist. 935 Die Ausfüllung dieser
Gesetzeslücken obliegt dem Richter, der dabei so genanntes Richterrecht anwendet. Im Fall
der Börse kommen SER in ihrer Funktion als Untersuchungsorgan, das die Einhaltung der
Reglemente überwacht und Sanktionsbescheide bzw. Sanktionsanträge erstellt, eindeutig
Aufgaben zu, die mit denen eines Staatsanwalts bzw. eines Untersuchungsrichters vergleichbar
sind. 936 In diesem Zusammenhang muss es die Regularien auslegen, und da diese erwiesenermassen
z.T. unbestimmte Begriffe verwenden müssen 937 , ist es unvermeidlich, dass eigene
Interpretationen verwendet werden. Ähnliches gilt für die Sanktionskommission, die in
ihren Entscheiden ebenfalls auslegungsbedürftige Begriffe sowie lückenhafte Bestimmungen
interpretieren muss und damit genauso Recht schafft. Dabei kann es immer wieder vorkommen,
dass die "Richter" 938 über das Ziel hinausschiessen und Regeln aufstellen, die über den
Willen des Gesetzgebers 939 hinausgehen. Ein Beispiel ist die Generalklausel zur Kursrelevanz
jeglicher Wechsel in der Führungsetage. 940 Solche richterlichen Exzesse sind jedoch umso
unproblematischer, je grösser die Möglichkeiten eines Gesetzgebers sind, sie durch alsbaldige
legislative Richtigstellungen zumindest für die Zukunft wirkungslos zu machen oder wenigstens
zu relativieren. Dieses Korrekturmittel ist bei der Börse gegeben: Nach Aussage des Präsidenten
des Regulatory Boards, Dr. Andreas von Planta, hat das Regulatory Board immer die
Möglichkeit, Entscheide von SER oder der SaKo, die den Mitgliedern des Regulatory Boards
missfallen, durch Anpassung der Regularien zu relativieren. 941 Ferner ist das Regulatory
Board in der Lage, die Rechtslage durch Rundschreiben explizit darzulegen, falls es das Gefühl
hat, dass ein Entscheid mehr zur Verwirrung als zur Klärung beigetragen hat. Ein Beispiel
ist die Mitteilung, die das Regulatory Board im Herbst 2010 betreffend der Darstellung
der Corporate Governance im Jahresbericht publiziert hatte. Auslöser war der Vontobel-
Entscheid 942 , der die Offenlegungsregeln zum Festsetzungsverfahren der Entschädigung der
VR- und GL-Mitglieder so unklar umriss, dass nach Ansicht des Regulatory Boards alle Gesellschaften
hätten bestraft werden müssen.
935 LARENZ, S. 366.
936 vgl. auch die Ausführungen in Kapitel II Abschnitt C.1.
937 vgl. die Ausführungen in Abschnitt 3.
938 Hier zumeist die SaKo, seltener SER.
939 das Regulatory Board.
940 vgl. Abschnitt C.3a.
941 Die Zeit, die die selbstregulierte Börse braucht, um Reglemente anzupassen, ist gemäss Aussagen der Börsenorgane
auch nicht besonders lang. So wurde das KR seit der Revision 2009 schon mehrfach abgeändert.
942 Entscheid der Sanktionskommission vom 11.6.2010 (SaKo 2010-CG-I/10).
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