Sanktionsordnung der SIX und Schiedsgericht DISSERTATION der ...

Kapitel III: Beurteilung der Sanktionspraxis
sichtlich der Natur und des Ausmasses von Ungewissheiten, einer gewissen Zurückhaltung
bei Schätzungen und der Einführung einer ausgeklügelten Methode zur Ermittlung von ausserordentlichem
Wertberichtigungsbedarf wegen Wertbeeinträchtigung (impairment). Auf
diese Weise wurde der Ermessensspielraum der Emittenten signifikant vergrössert. Das Ergebnis
ist, dass bei IFRS-Experten verschiedene Meinungen bestehen können. Vor diesem
Hintergrund wird daher gelegentlich auch die Frage aufgeworfen, ob es überhaupt sinnvoll ist,
die Aufsicht im Bereich Rechnungslegung der Börse zu übertragen, oder ob es besser wäre,
diese Aufgabe bspw. an die RAB zu übertragen.
Hier ist jedoch festzustellen, dass es zweckmässig ist, die gesamte Kontrolle der Emittentenpflichten
bei SER zu belassen und nicht die Überwachung einer einzelnen Pflicht an eine andere
Behörde zu übertragen. Denn wie in Abschnitt 2 erwähnt wurde, werden oft Fehler im
Zuge einer Untersuchung entdeckt, die SER wegen eines anderen Verstosses gegen ein Unternehmen
eingeleitet hat. Diese erfreulichen Nebeneffekte erhöhen die Transparenz signifikant,
weswegen die Gesamtaufsicht durch die Börse nur zu begrüssen ist. Allerdings sollte in
Anbetracht der eingangs beschriebenen Probleme mit IFRS nicht zu hart durchgegriffen werden:
Mit anderen Worten ist es nicht die Aufgabe von SER, die IFRS zu interpretieren, und
SER sollte auch nicht das Judgement des Kunden ausüben. Vielmehr sollte überprüft werden,
ob eine klare Regelverletzung vorliegt, und falls hier berechtigte Zweifel (bzw. verschiedene
Expertenmeinungen) nachgewiesen werden können, sollte von einer Sanktionierung und evtl.
sogar schon von einer Untersuchung abgesehen werden. Insbesondere aber sollte in diesen
unklaren Fällen eine rufschädigende Veröffentlichung des Untersuchungsverfahrens vermieden
werden. 772
d) Fazit
Das Vertrauen der (internationalen) Anlegergemeinschaft in die Ordnungsmässigkeit der
Rechnungslegung gehört zu den unabdingbaren Voraussetzungen eines effizienten Kapitalmarktes.
Die Qualität der Schweizer Rechnungslegung wurde noch in den 1980er Jahren von
internationalen Finanzexperten äusserst kritisch betrachtet. So stellte der bekannte britische
Investmentfondmanager Antony Bolton 1989 fest: "As a general rule, in Europe, the closer
you get to Switzerland, the worse financial accounting becomes." 773 Hier konnte jedoch -
nicht zuletzt aufgrund der Bemühungen von SER - ein wichtiger Beitrag zur Schliessung der
772 vgl. dazu auch Kap. II Abschnitt I.2.
773 MEIXNER, S. 25.
- 123 -