Sanktionsordnung der SIX und Schiedsgericht DISSERTATION der ...

Kapitel III: Beurteilung der Sanktionspraxis
d) Fazit
Die Pflicht zur Ad hoc-Publizität gehört sowohl in den europäischen Ländern als auch in den
USA seit Jahren zu einem fest etablierten Institut des Kapitalmarktrechts 711 , das die Wettbewerbsfähigkeit
eines Finanzmarkts massgeblich beeinflusst. In der Schweiz führten die frühere
"Alle Luken dicht"-Politik sowie das liberale Regulierungsprinzip der "regulierten Selbstregulierung",
das dem Emittenten einen grossen selbstverantwortlichen Entscheidungsspielraum
lässt, dazu, dass die Mechanismen für eine aktive und wirksame Aufsicht als schwach
und unzureichend angesehen wurden. 712 Spätestens mit Einführung der neuen Verfahrensordnung
zum 1.1.2007 änderte sich das aber insofern, als die Börse die Überwachung der Ad
hoc-Publizität merklich verstärkte. 713 Dies ist grundsätzlich zu begrüssen, da ein effizientes
Aufsichtsregime mit entsprechenden Sanktionen entscheidend für die wirkungsvolle Umsetzung
der Ad hoc-Publizität ist. 714 Der Nachweis eines Verstosses gegen die Ad hoc-Publizität
fällt jedoch im Allgemeinen sehr schwer, da in der Praxis zu beweisen ist, dass ein Emittent
die Meldung einer veröffentlichungspflichtigen Tatsache unterliess, obwohl er bei Anwendung
der gebotenen Sorgfalt die Kursrelevanz hätte erkennen müssen 715 : Auf die nachträglich
objektiv feststellbare tatsächlich eingetretene Kursentwicklung darf hier nicht abgestellt werden.
Vor diesem Hintergrund stehen der Aufsichtsbehörde prinzipiell zwei Vorgehensweisen
offen: eine strenge Regulierung, bei der hohe Anforderungen an die Wachsamkeit der Emittenten
gestellt werden, oder ein Enforcement mit Augenmass, wo in unklaren Situationen
Verständnis für Fehlverhalten aufgebracht wird. Angesichts der Bedeutung der Ad hoc-
Publizitätsnorm für einen effizienten Kapitalmarkt sollte keinesfalls zu stark "Gnade vor
Recht" gewährt werden, aber die soeben beschriebene Ambivalenz rechtfertigt m.E. doch einen
gewissen Pragmatismus in der Regulierung; übertriebene Anforderungen (Meldung von
HR-Verantwortlichen etc.) sind in jedem Fall zu vermeiden.
4. Corporate Governance
Neben der Ad hoc-Publizität wird auch die Praxis der SIX zur Corporate Governance-
Berichterstattung teilweise kritisch betrachtet.
711 zu der Entwicklung der Ad hoc-Publizität in den verschiedenen Ländern vgl. HSU.
712 In diesem Sinne äusserte sich KÖNDGEN, S. 815, noch 2000.
713 Diese Tatsache wurde übereinstimmend in den Interviews bestätigt.
714 so auch: DE BEER, S. 38.
715 HSU, S. 262.
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