Sanktionsordnung der SIX und Schiedsgericht DISSERTATION der ...

Kapitel III: Beurteilung der Sanktionspraxis
Aus diesem Sachverhalt lässt sich ein weiteres wichtiges Element der Ad hoc-Publizität ableiten:
Die Gleichbehandlung der Marktteilnehmer enthält praktisch immer ein zeitliches Element.
695 Es ist essentiell, dass die Anleger die Informationen, die sie ihrer Anlageentscheidung
zugrunde legen, rechtzeitig erhalten. 696 Auch 20 Minuten können zu spät sein. Deswegen
wird zur Verhinderung eines kritischen Zeitvorsprungs für mögliche Insidergeschäfte bei
einem Ad hoc-Fall die Zeit sofort relevant. Vor diesem Hintergrund sind auch wenige Stunden
schon erheblich und können markante Bussen auslösen. 697 Aufgrund der langen Handelszeiten
der Schweizer Börse ist darüber hinaus ein enger Zeitrahmen einzuhalten: Werktags
zwischen 07.30 Uhr und 17.30 Uhr gilt ein Ad hoc-Stopp, d.h. dass während des Arbeitstags
eine spontane Ad hoc-Meldung nicht erlaubt ist. In Krisenfällen, wenn eine Bekanntgabe
während der Handelszeit unumgänglich ist, ist die SIX 90 Minuten vor der Bekanntgabe zu
informieren, damit sie über die Aussetzung des Handels entscheiden kann. Diese strenge Regelung
wird zwar verschiedentlich von den Emittenten kritisiert 698 , ist aber meines Erachtens
zur Erreichung der notwendigen Transparenz und Gleichbehandlung der Marktteilnehmer
unerlässlich. 699
Fraglich ist jedoch, ob bei Lelanché evtl. ein erlaubter Bekanntgabeaufschub vorlag. Dabei
handelt es sich um ein Korrektiv zur weitreichenden Ad hoc-Publizitätspflicht. 700 Der Emittent
kann die Bekanntgabe einer kursrelevanten Tatsache aufschieben, wenn die Tatsache auf
einem Plan oder Entschluss des Emittenten beruht und die Verbreitung geeignet ist, die berechtigten
Interessen des Emittenten zu beeinträchtigen. 701 Ziel ist, dem Unternehmen zu ermöglichen,
Verhandlungen in ungestörter Vertrauenssphäre durchzuführen. 702 Vor diesem
Hintergrund sollte m.E. ein Bekanntgabeaufschub auch betreffend Rücktrittserklärung eines
VR-Mitglieds bis zur Nomination des Nachfolgers möglich sein 703 und Leclanché hätte
grundsätzlich die 3 Tage abwarten dürfen. Allerdings müssen bei einem Bekanntgabeaufschub
die Voraussetzungen von Art. 54 Abs. 2 KR beachtet werden, d.h. es müssen klare organisatorische
Vorkehrungen getroffen werden, um die Vertraulichkeit der kursrelevanten
Tatsache während der gesamten Dauer des Bekanntgabeaufschubs zu gewährleisten. Bei Lec-
695 BÖCKLI, Ad hoc-Publizität, S. 91.
696 LÜCHINGER, S. 235.
697 vgl. z.B. Entscheid der Sanktionskommission vom 30.7.2007 (SaKo/AHP/II/07).
698 Die Signalwirkung, die von einer Handelseinstellung ausgehe, könne enorm sein.
699 Dies ergaben auch die Gespräche mit den Handelsvertretern der Banken.
700 so auch DALLA TORRE/HASLER, S. 194.
701 Art. 54 Abs. 1 KR.
702 vgl. MARTINEZ, S. 324.
703 gl.M. DALLA TORRE/HASLER, S. 195; a. M. DAENIKER, Thesen, S. 142, sowie FELLER, S. 1098, die beide davon
ausgehen, eine selbsteingereichte Kündigung stelle keinen Entschluss des Unternehmens dar und müsse
deswegen sofort bekannt gegeben werden.
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