Sanktionsordnung der SIX und Schiedsgericht DISSERTATION der ...

Kapitel III: Beurteilung der Sanktionspraxis
kann aber nicht geschlussfolgert werden, dass die "einfachere" Organisation kleinerer Gesellschaften
unbedingt schlechter ist. Vielmehr muss man sich vor Augen führen, dass Compliance-Massnahmen
grundsätzlich für jedes Unternehmen individuell festgelegt werden müssen.
1299 Grosse Unternehmen haben zwar den Vorteil, dass sich ein spezialisierter Compliance-Officer
ausschliesslich der Befolgung der Emittentenpflichten widmen kann; es besteht
aber zugleich die Gefahr, dass die Stabstelle vom Unternehmen abgeschottet ist und deshalb
die "heissen" Informationen an der "Front" gar nicht mitbekommt. 1300 Ein KMU, dessen Geschäftsleitungsmitglied
selbst an der „Front“ tätig ist, ist vor diesem Hintergrund klar im Vorteil.
Dementsprechend hat auch LÜCHINGER in seinen Betrachtungen zur Ad hoc-Publizität
festgestellt, dass bei grossen Unternehmen zwar das Fachwissen zur Beurteilung komplexer
Fragen im Haus ist, die Entscheidungswege hingegen oft zu bürokratisch und daher zu lang
sind, während es bei kleineren und mittleren Unternehmen oft gerade umgekehrt ist. 1301 Folglich
sind in beiden Konstellationen spezielle Massnahmen zur Vermeidung von Organisationspannen
zu treffen: So muss im grossen Unternehmen die Informationsversorgung der Stabstelle
in allen Fällen gewährleistet werden 1302 , während in den kleineren Unternehmen sicherzustellen
ist, dass in Bezug auf die Erfüllung der Börsenpflichten eine saubere Stellvertretungsregel
besteht. 1303
f) Fazit
Ein zentrales Kriterium bei der Beurteilung eines Sanktionssystems ist die Frage, wie gut
Missbräuche verhindert werden können, und eine strenge Berücksichtigung der Schwere der
Verletzung sowie allfälliger strafverschärfender Aspekte (Wiederholungstäter, mehrere Regelverstösse)
erscheint daher angemessen. Andererseits ist aber auch zu beachten, dass es als
Rechtsmissbrauch angesehen werden kann, wenn eine geringfügige Pflichtwidrigkeit unverhältnismässig
scharf geahndet wird 1304 , weswegen strafmildernde Faktoren unbedingt ebenfalls
in Erwägung gezogen werden müssen. Insbesondere relevant sind in diesem Zusammenhang
die Bemühungen eines Beaufsichtigten, Regelverstösse künftig zu vermeiden.
die Meldung von Management-Transaktionen zuständige Person war abwesend und ihre Stellvertretung kannte
die Regeln unzureichend, so dass die Meldung erst mit Verspätung erfolgte (vgl. auch Entscheid der Sanktionskommission
vom 11.9.2009 (SaKo/MT/II/09)).
1299 FREYMOND/VOGT, S. 221.
1300 WEBER, Verantwortlichkeit, S. 144.
1301 LÜCHINGER, S. 241.
1302 Bei Novartis z.B. ergibt sich ein Problem, wenn der VR einen alleinigen Entscheid trifft; in diesem Fall ist
der Sekretär des Verwaltungsrates verpflichtet, das Disclosure Committee zu informieren.
1303 Damit auch bei Urlaubs- oder Krankheitsabwesenheit des CEOs oder CFOs die Fristen eingehalten werden.
1304 FUCHS, S. 111.
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