Sanktionsordnung der SIX und Schiedsgericht DISSERTATION der ...

Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte
b) Zweiteilung des börseninternen Beschwerdeverfahrens
Die im letzten Abschnitt beschriebene Aufgabenteilung zwischen SER und SaKo bei gravierendenden
Verfehlungen führt dazu, dass u.U. börsenintern ein zweistufiger Rechtsmittelweg
besteht, was in der Lehre teilweise als zu kompliziert und zu langwierig kritisiert wird. 203
Auch wenn in Art. 9 Abs. 3 BEHG nur eine Beschwerdeinstanz gesetzlich vorgeschrieben ist,
existieren mit Sanktionskommission und Beschwerdeinstanz effektiv zwei börseninterne
Rechtsmittelinstanzen, die z.B. im Falle der Dekotierung eines Emittenten oder der Sistierung
eines Teilnehmers auch beide zu durchlaufen sind. Diese Doppelspurigkeit ist auf den unüberwindbaren
Konflikt im Parlament zwischen den Verfechtern einer freien, selbstregulierten
Börse, die ihre Beschwerdeinstanzen selbst bestimmen kann, auf der einen Seite und einer
Gruppe von Parlamentariern rund um den damaligen Finanzminister Otto Stich, die sich für
eine von aussen bestellte Instanz einsetzten, auf der anderen Seite zurückzuführen. 204 Letztere
bekämpften das Konzept einer von der Börse abschliessend bestimmten Aufsichtsinstanz, die
als Richter in eigener Sache darüber urteilt, ob die Börse richtig gehandelt hat, mit dem Hinweis
auf mittelalterliche Zunftwirtschaft. 205 Es gelang ihnen auf diese Weise genug Unbehagen
im Parlament zu schüren, so dass sie letztendlich die im Gesetz verankerte unabhängige
Beschwerdeinstanz, deren Mitglieder durch die FINMA bestimmt werden, als Rechtsmittelinstanz
für die einschneidenderen Sanktionen durchsetzen konnten. Da die freiheitlich
und wirtschaftsfreundlich gesinnte Mehrheit aber auch nicht auf die Möglichkeit verzichten
wollte, die Entscheide von SER durch fachkundige interne Experten überprüfen zu lassen,
kam es zur typisch schweizerischen Kompromisslösung: Neben der gesetzlich geschaffenen
unabhängigen Beschwerdeinstanz erhielt die Börse die Freiheit, ein eigenes Rechtsmittelverfahren
mit eigener Rechtsprechungsinstanz 206 zu schaffen, das bei geringeren Pflichtverletzungen
ausschliesslich zu durchlaufen ist. Die Folge ist ein sehr komplexer Rechtsmittelweg,
was dazu führt, dass auch Experten einzelne Verfahrensaspekte immer wieder nachlesen müssen.
207 Komplizierte, zeitintensive Verfahren wirken jedoch abschreckend auf die Regulierten,
weshalb eine Vereinfachung des Verfahrens m.E. unerlässlich ist. Dies soll in Abschnitt
J.2 im Rahmen der Betrachtung einer angemessenen Verfahrenslänge eingehender diskutiert
werden.
203 vgl. auch: WEBER, Neuordnung, S. 591.
204 Amtl.Bull SR 1993, S. 1003 f.; Amtl.Bull. NR 1994, S. 1061. f.
205 vgl. Motion STICH, Amtl.Bull. NR 1994, 1062: „wo die Zunft am Schluss entscheidet, was gut und recht ist
und ob das angemessen ist oder nicht.“
206 früher: Disziplinarkommission; jetzt: Sanktionskommission.
207 Ein besonders verwirrender Punkt ist dabei, wann der Entscheid der Sanktionskommission direkt an das
Schiedsgericht weitergezogen werden kann und wann zunächst die Beschwerdeinstanz dazwischen geschaltet ist.
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