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Ein Jahr in Waffen - Karlheinz-everts.de

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„Doch, Exzellenz,” gab <strong>de</strong>r Dicke zur Antwort.<br />

„Warum stehen Sie dann hier?”<br />

Der Dicke sah die Vorgesetzten so offen an, daß diese sofort<br />

wußten, daß er die Wahrheit sprach, als er sagte: „Me<strong>in</strong>e bei<strong>de</strong>n<br />

Füße s<strong>in</strong>d mir von <strong>de</strong>m langen Stehen fest e<strong>in</strong>geschlafen, Exzellenz.”<br />

„Das also ist es,” me<strong>in</strong>te <strong>de</strong>r kommandieren<strong>de</strong> General.<br />

„Na, dann lassen Sie Ihre Füße nur erst ruhig ausschlafen und dann<br />

kommen Sie nach.”<br />

Damit ritten die Vorgesetzten wie<strong>de</strong>r davon, und <strong>de</strong>r Dicke<br />

machte Kniebeuge und Fußrollen, um das Blut wie<strong>de</strong>r <strong>in</strong> Zirkulation<br />

zu br<strong>in</strong>gen. Nach drei M<strong>in</strong>uten war das Übel überwun<strong>de</strong>n.<br />

Als er aber h<strong>in</strong>ter <strong>de</strong>r Kompanie herlief und auf se<strong>in</strong>en Platz<br />

e<strong>in</strong>treten wollte, hieß es: „Machen Sie, daß Sie fortkommen,<br />

<strong>E<strong>in</strong></strong>jähriger — stören Sie das Exerzieren nicht — machen Sie die<br />

Front frei!”<br />

So trat er <strong>de</strong>nn zur Seite und sah tief unglücklich zu, wie die<br />

Kompanie die Aufmärsche, das Abschwenken und <strong>de</strong>n Übergang<br />

von e<strong>in</strong>er Formation <strong>in</strong> die an<strong>de</strong>re ausführte.<br />

„Kaltgestellt,” sagte er sich. „Da stehe ich nun hier mit me<strong>in</strong>en<br />

schönsten Kenntnissen <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Be<strong>in</strong>en und kann nicht zeigen, was<br />

ich kann. Na, die Gewißheit habe ich wenigstens, es ist me<strong>in</strong><br />

militärisches Leichenbegängnis; ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong>fach fertig!”<br />

Die Ansicht vertrat er auch am Mittag im Kas<strong>in</strong>o, als er dort<br />

ausführlich über se<strong>in</strong> Unglück berichtete. „Aber schuld b<strong>in</strong> ich selbst,”<br />

schloß er se<strong>in</strong>e Re<strong>de</strong>; „die Natur verlangt ihr Recht, und ich habe<br />

<strong>in</strong> gera<strong>de</strong>zu unverantwortlicher Weise gegen me<strong>in</strong>e Natur gewütet;<br />

ich habe mir <strong>de</strong>n Nachmittagschlaf abgewöhnt. Das rächt sich nun,<br />

<strong>de</strong>nn was man <strong>de</strong>r Natur nicht freiwillig gibt, nimmt sie sich mit<br />

Gewalt. Weil me<strong>in</strong>e Füße früher nicht die nötige Ruhe fan<strong>de</strong>n,<br />

schliefen sie gera<strong>de</strong> <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Augenblick e<strong>in</strong>, als ich sie am nötigsten<br />

brauchte. Ich ermahne euch väterlich, stetig an das Wort zu <strong>de</strong>nken,<br />

daß sich je<strong>de</strong> Schuld auf Er<strong>de</strong>n rächt.”<br />

Trotz <strong>de</strong>s Galgenhumors, <strong>de</strong>r aus diesen Worten herausklang,<br />

lachte niemand. <strong>E<strong>in</strong></strong> so großes Pech, wie <strong>de</strong>r Dicke es gehabt hatte,<br />

war noch nicht dagewesen. Anstatt zu zeigen, was er konnte, hatte<br />

er zusehen müssen; anstatt besichtigt zu wer<strong>de</strong>n, hatte er gewissermaßen<br />

selbst e<strong>in</strong>e Besichtigung abgehalten.<br />

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