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Ein Jahr in Waffen - Karlheinz-everts.de

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er war sich bewußt, nicht mehr verlangt zu haben, als je<strong>de</strong>r leisten<br />

konnte. Aber anstatt zu schelten, rief er se<strong>in</strong>e <strong>E<strong>in</strong></strong>jährigen zusammen,<br />

und ohne ihnen zu sagen, was sich eben zwischen ihm und <strong>de</strong>m<br />

dicken Schmidt abgespielt hatte, erzählte er ihnen, wie er e<strong>in</strong>mal<br />

bei <strong>de</strong>m Regiment, bei <strong>de</strong>m er früher stand, auf e<strong>in</strong>em großen<br />

Schießplatz e<strong>in</strong>e Gefechtsübung mitgemacht habe, an <strong>de</strong>r auch<br />

Kaiser Wilhelm II. teilnahm. Dieser habe zuerst <strong>de</strong>r Übung als<br />

Zuschauer zu Pfer<strong>de</strong> beigewohnt, dann sei er plötzlich abgestiegen,<br />

habe sich e<strong>in</strong> Gewehr geben lassen, sich mit ihm <strong>in</strong> die Schützenl<strong>in</strong>ie<br />

gelegt und habe dann das sprungweise Vorgehen <strong>de</strong>r Truppe<br />

genau so mitgemacht wie je<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Soldat.<br />

„Es ist ke<strong>in</strong> Märchen, was ich Ihnen erzählte,” schloß Leutnant<br />

von Dohlen, „ich habe das nicht nur mit me<strong>in</strong>en eigenen Augen<br />

mit angesehen, son<strong>de</strong>rn Majestät lag sogar <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Zug und<br />

folgte me<strong>in</strong>em Kommando genau wie je<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re.”<br />

Ganz beschämt stand <strong>de</strong>r dicke Schmidt da. Es lag ihm auf <strong>de</strong>r<br />

Zunge, <strong>de</strong>n Offizier schon jetzt um Verzeihung zu bitten, aber er<br />

wußte, dazu war jetzt we<strong>de</strong>r die Gelegenheit, noch die richtige Zeit.<br />

So wartete er <strong>de</strong>nn, bis sie zur Kaserne zurückgekehrt waren.<br />

Als dann aber das Kommando zum Wegtreten erfolgte, trat er<br />

auf Leutnant von Dohlen zu.<br />

„Ich bitte um die Erlaubnis, <strong>de</strong>n Herrn Leutnant e<strong>in</strong>en Augenblick<br />

sprechen zu dürfen.”<br />

Der sah ihn ernst, aber durchaus nicht unfreundlich an. „Wenn<br />

ich Ihnen irgendwie raten o<strong>de</strong>r helfen kann, so tue ich es gern.”<br />

Wie<strong>de</strong>r stieg <strong>de</strong>m Dicken das Blut <strong>in</strong> die Wangen. „Der Herr<br />

Leutnant s<strong>in</strong>d sehr freundlich, aber darum han<strong>de</strong>lt es sich jetzt<br />

nicht. Ich habe <strong>de</strong>m Herrn Leutnant vorh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ungehörige<br />

Antwort gegeben und me<strong>in</strong>e Pflicht nicht so getan, wie ich es<br />

sollte. Ich bitte <strong>de</strong>n Herrn Leutnant um Verzeihung.”<br />

Der reichte ihm die Hand. „Mich freut es, daß Sie das e<strong>in</strong>sehen.<br />

Aber um Verzeihung brauchen Sie mich nicht zu bitten, <strong>de</strong>nn Sie<br />

haben ja nicht gegen mich unrecht gehan<strong>de</strong>lt, son<strong>de</strong>rn gegen sich<br />

selbst und <strong>de</strong>n Dienst. Die Sache ist hiermit erledigt, aber ziehen<br />

Sie daraus e<strong>in</strong>e Lehre für die Zukunft: Tun und sagen Sie nie<br />

wie<strong>de</strong>r etwas, das Sie h<strong>in</strong>terher <strong>in</strong> die unangenehme Lage br<strong>in</strong>gt,<br />

sich selbst und an<strong>de</strong>ren e<strong>in</strong>gestehen zu müssen, ‚ich tat unrecht‛.”<br />

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