Ein Jahr in Waffen - Karlheinz-everts.de
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Im Schießen kam ihm ke<strong>in</strong>er gleich; <strong>de</strong>n Versuch, ihn da<br />
e<strong>in</strong>zuholen, hatten schon lange alle als ganz aussichtslos aufgegeben,<br />
und selbst Sergeant Bülle hatte bewun<strong>de</strong>rnd das Wort<br />
gesprochen: „So'n Schütze fällt nur alle <strong>Jahr</strong>e e<strong>in</strong>mal vom Himmel,<br />
und unter tausend Fällen ist es dann neunhun<strong>de</strong>rtneunundneunzigmal<br />
ke<strong>in</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>jähriger.” Aber sonst herrschte zwischen ihnen<br />
allen e<strong>in</strong> edler Wettstreit; je<strong>de</strong>r wollte <strong>de</strong>r beste se<strong>in</strong>.<br />
Unentwegt nahm <strong>de</strong>r Dienst se<strong>in</strong>en Fortgang. Auch auf<br />
Wache zogen die <strong>E<strong>in</strong></strong>jährigen bisweilen, wenn auch nicht mehr<br />
als Posten, so doch als Gefreite, welche die Postenablösung aufzuführen<br />
hatten. Nach<strong>de</strong>m sie auch das zur Zufrie<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>r<br />
Vorgesetzten erledigt hatten, sollte nun heute zum ersten Male<br />
e<strong>in</strong>er von ihnen als Wachhaben<strong>de</strong>r aufziehen, und zwar <strong>de</strong>r Dicke.<br />
Er sollte die Pulverhauswache beziehen, die reichlich e<strong>in</strong>e Stun<strong>de</strong><br />
außerhalb <strong>de</strong>r Stadt an e<strong>in</strong>er ziemlich e<strong>in</strong>samen Straße lag,<br />
während das Pulverhaus selbst, e<strong>in</strong> paar hun<strong>de</strong>rt Meter davon<br />
entfernt, mitten auf e<strong>in</strong>em freien Fel<strong>de</strong> sich befand.<br />
Die Wache war nur drei Mann stark. Sie bil<strong>de</strong>te e<strong>in</strong>e sogenannte<br />
Gefreitenwache und erfreute sich ke<strong>in</strong>er beson<strong>de</strong>ren Beliebtheit,<br />
<strong>de</strong>nn sie lag draußen e<strong>in</strong>sam und verlassen; <strong>de</strong>r Verkehr<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Umgebung war nur ganz ger<strong>in</strong>g. Auch sollte die Wachtstube<br />
nicht frei von allerlei Ungeziefer se<strong>in</strong>, doch <strong>de</strong>r Dicke lachte<br />
darüber. „Was die Leute alles zusammenre<strong>de</strong>n! In Wirklichkeit<br />
wird es hier wohl nicht so schlimm se<strong>in</strong>.”<br />
So marschierte er <strong>de</strong>nn mittags wohlgemut mit se<strong>in</strong>en Leuten<br />
ab und richtete sich dann auf se<strong>in</strong>er Wache so behaglich wie nur<br />
möglich e<strong>in</strong>. Aber allzuviel konnte <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht nicht <strong>in</strong><br />
Betracht kommen. Das ganze Meublement bestand aus zwei<br />
hölzernen Pritschen, e<strong>in</strong>er schmalen für <strong>de</strong>n Wachhaben<strong>de</strong>n<br />
und e<strong>in</strong>er breiten für die Mannschaften, aus e<strong>in</strong>igen Schemeln,<br />
e<strong>in</strong>em Wandbord, e<strong>in</strong>em Stuhl und e<strong>in</strong>em Tisch, an <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />
Gefreite das Wachtbuch und <strong>de</strong>n Rapport schreiben konnte.<br />
Sonstige Luxusgegenstän<strong>de</strong> waren <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Wachtlokal nicht<br />
vorhan<strong>de</strong>n. Da aber <strong>de</strong>r Dicke hier „<strong>de</strong>r Höchstkommandieren<strong>de</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Marken” war, kam es ihm trotz<strong>de</strong>m tausendmal schöner<br />
vor als die an<strong>de</strong>ren Wachtlokale, die er bisher kennen gelernt<br />
hatte. Die Zeit allerd<strong>in</strong>gs schien hier nicht vorwärts, son<strong>de</strong>rn<br />
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