Ein Jahr in Waffen - Karlheinz-everts.de
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„Was man so e<strong>in</strong>en Handkoffer nennt,” me<strong>in</strong>te <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />
gelassen. „Es gibt bekanntlich auch sogenannte Taschenlexika,<br />
die so heißen und doch so groß s<strong>in</strong>d, daß sie <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e Westentasche<br />
gehen. So, und nun machen Sie mal Ihren Koffer auf und zeigen<br />
Sie, was Sie alles dr<strong>in</strong> haben.”<br />
Fritz gehorchte, und die Inspektion begann.<br />
„Sieh mal an,” sagte <strong>de</strong>r Feldwebel, „viermal Unterzeug!<br />
Uns<strong>in</strong>n — zwei Unterzeuge s<strong>in</strong>d reichlich genug. Dreißig Taschentücher<br />
— ist die Möglichkeit! — nehmen Sie zehn mit und lassen<br />
Sie nach Bedarf draußen waschen. Sechs Hem<strong>de</strong>n? Die Hälfte<br />
ist auch genug.”<br />
So g<strong>in</strong>g das weiter und weiter; das Gepäck schrumpfte immer<br />
mehr zusammen, bis schließlich fast nichts übrig blieb. Das Ergebnis<br />
<strong>de</strong>r strengen Prüfung war, daß die Sachen von Fritz und Karl<br />
nicht mehr zwei Koffer füllten, son<strong>de</strong>rn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zusammengepackt<br />
wur<strong>de</strong>n. Der Feldwebel strahlte, daß ihm das Kunststück<br />
gelungen war, <strong>de</strong>nn er wußte, daß die höheren Vorgesetzten<br />
schelten wür<strong>de</strong>n, wenn die Kompanien zu viel Gepäck mitnahmen.<br />
Weniger erfreut waren Fritz und Karl, aber sie trösteten sich,<br />
als die Kamera<strong>de</strong>n ihnen am Abend im Kas<strong>in</strong>o erzählten, daß<br />
es ihnen ebenso gegangen sei. Als Bellmann mit se<strong>in</strong>em Koffer<br />
erschienen war, hatte ihn se<strong>in</strong> Feldwebel gefragt: „Ach so, da<br />
haben Sie wohl gleich Ihr Klavier dr<strong>in</strong> e<strong>in</strong>gepackt?” Und doch<br />
war <strong>de</strong>r Koffer nach Bellmanns Behauptung auch nur e<strong>in</strong>e große<br />
Handtasche gewesen.<br />
Man nahm Abschied vom Kas<strong>in</strong>o, das man für e<strong>in</strong>ige Wochen<br />
nicht wie<strong>de</strong>rsehen wür<strong>de</strong>. Dann g<strong>in</strong>g man früh schlafen, <strong>de</strong>nn<br />
am nächsten Morgen sollte <strong>de</strong>r Extrazug, <strong>de</strong>r das Regiment <strong>in</strong><br />
das Barackenlager führte, um sechs Uhr abfahren. Mittags um<br />
zwölf Uhr sollte die Ankunft erfolgen.<br />
Wenn e<strong>in</strong> Zivilist auf Reisen geht, richtet er sich mit <strong>de</strong>m Aufstehen<br />
so e<strong>in</strong>, daß er vielleicht e<strong>in</strong>e Viertelstun<strong>de</strong> vor Abgang <strong>de</strong>s<br />
Zuges da ist, um sich e<strong>in</strong>en guten Platz belegen zu können. Beim<br />
Militär ist es aber ganz an<strong>de</strong>rs.<br />
Um sechs Uhr sollte <strong>de</strong>r Zug abfahren. Um halb sechs mußten<br />
die Truppen auf <strong>de</strong>m Bahnhof bereitstehen, um verla<strong>de</strong>n zu<br />
wer<strong>de</strong>n, um fünf Uhr sollte <strong>de</strong>r Abmarsch vom Kasernenhof er-<br />
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