Ein Jahr in Waffen - Karlheinz-everts.de
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geeignet war das für e<strong>in</strong> Morgenständchen ja gera<strong>de</strong> nicht, aber bei<br />
<strong>de</strong>r kle<strong>in</strong>en Auswahl von Lie<strong>de</strong>rn, die ihnen zur Verfügung stand,<br />
durften sie nicht allzu wählerisch se<strong>in</strong>. Was sie sangen, war ja<br />
auch schließlich e<strong>in</strong>erlei; die Hauptsache blieb, daß sie sangen.<br />
Und wie sangen sie! Es war e<strong>in</strong>fach gräßlich.<br />
Nach <strong>de</strong>m zweiten Vers waren die meisten schon heiser, so<br />
hatten sie sich angestrengt. Aber das half alles nichts, wach wer<strong>de</strong>n<br />
mußte <strong>de</strong>r Dicke.<br />
Der dritte Vers begann — er wur<strong>de</strong> noch lauter gesungen,<br />
aber <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Zimmern rührte sich nichts.<br />
„Das geht nicht mit rechten D<strong>in</strong>gen zu,” sagte e<strong>in</strong>er <strong>de</strong>r<br />
Kamera<strong>de</strong>n. „Das s<strong>in</strong>d vielleicht gar nicht die Stuben <strong>de</strong>s Dicken.”<br />
Aber je<strong>de</strong>r Irrtum war ausgeschlossen.<br />
„Ne<strong>in</strong>, richtig ist es hier schon,” wi<strong>de</strong>rsprach e<strong>in</strong> an<strong>de</strong>rer.<br />
„Na, e<strong>in</strong> Lied können wir ja noch zugeben; wenn auch das nichts<br />
hilft, gehen wir weiter. Daß wir uns hier ohne je<strong>de</strong>n Erfolg heiser<br />
schreien, hat ja ke<strong>in</strong>en Zweck.”<br />
Die an<strong>de</strong>ren stimmten ihm bei und e<strong>in</strong> neues Lied begann:<br />
„<strong>E<strong>in</strong></strong>e Wassermaus und e<strong>in</strong>e Kröte stiegen abends <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Morgenröte<br />
e<strong>in</strong>en steilen Berg h<strong>in</strong>an.”<br />
Unter<strong>de</strong>ssen stand <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>m dieses Lied galt, nur mit e<strong>in</strong>em<br />
langen weißen Nachthemd beklei<strong>de</strong>t, das ihm bis auf die Füße<br />
reichte, oben im zweiten Stock und blickte, über das Gelän<strong>de</strong>r gebeugt,<br />
auf die Sänger unter sich. <strong>E<strong>in</strong></strong> vergnügtes Lächeln umspielte<br />
se<strong>in</strong>en Mund, und e<strong>in</strong> paarmal mußte er mit Gewalt an<br />
sich halten, um nicht laut aufzulachen. Und das nicht ohne Grund,<br />
<strong>de</strong>nn von Zeit zu Zeit warf er e<strong>in</strong>en zärtlichen Blick auf e<strong>in</strong>e große<br />
Blechschüssel, die bis zum Rand mit Wasser gefüllt neben ihm<br />
auf e<strong>in</strong>em Stuhl stand.<br />
Am meisten aber freute er sich darüber, daß die an<strong>de</strong>ren ihn<br />
für so töricht gehalten hatten, es nicht vorauszuahnen, daß sie<br />
ihm e<strong>in</strong>en Streich spielen wür<strong>de</strong>n. Deshalb war er gestern schon<br />
um neun Uhr schlafen gegangen, aber nicht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Stube,<br />
son<strong>de</strong>rn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bereitstehen<strong>de</strong>n Frem<strong>de</strong>nzimmer, das se<strong>in</strong><br />
Hausherr, <strong>de</strong>n er <strong>in</strong>s Vertrauen zog, ihm oben im zweiten<br />
Stockwerk zur Verfügung gestellt hatte.<br />
„Nun können die da unten Lärm machen, soviel sie wollen,<br />
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