Ein Jahr in Waffen - Karlheinz-everts.de
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Die Mehrzahl <strong>de</strong>r Leute tut ihre Pflicht nicht nur, weil sie müssen,<br />
son<strong>de</strong>rn weil es ihnen selbst Vergnügen macht, stramme, flotte<br />
Soldaten zu se<strong>in</strong>. Alle<strong>in</strong> die Eitelkeit veranlaßte viele, <strong>in</strong> ihrem<br />
ganzen Wesen und <strong>in</strong> ihrer ganzen Ersche<strong>in</strong>ung recht adrett und<br />
sauber zu se<strong>in</strong>.<br />
So war es für die neu ernannten Korporalschaftsführer oft<br />
e<strong>in</strong> wahres Vergnügen, mit ihren Leuten zum Appell anzutreten,<br />
wenn alle Sachen ta<strong>de</strong>llos im Stand und blitzblank und blitzsauber<br />
geputzt waren. Da fiel manches Lob für die <strong>E<strong>in</strong></strong>jährig-Gefreiten<br />
ab, <strong>de</strong>nn <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie ist und bleibt es immer <strong>de</strong>r Vorgesetzte,<br />
<strong>de</strong>r gewissermaßen <strong>de</strong>n Geist angibt, <strong>de</strong>r <strong>in</strong> <strong>de</strong>r ihm unterstellten<br />
Mannschaft herrscht. Wenn er selbst se<strong>in</strong>e Pflicht tut und selbst je<strong>de</strong>rzeit<br />
wie aus <strong>de</strong>m Ei geschält aussieht, wird er sehr bald bei se<strong>in</strong>en<br />
Leuten das ernste Bestreben bemerken, es ihm <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht gleichzutun.<br />
Wer aber selbst unor<strong>de</strong>ntlich und unpünktlich ist, darf sich<br />
nicht wun<strong>de</strong>rn, wenn se<strong>in</strong>e Untergebenen erst recht bummlig wer<strong>de</strong>n.<br />
Das war <strong>in</strong> <strong>de</strong>r letzten Zeit etwas bei <strong>de</strong>m Studiosus <strong>de</strong>r Fall.<br />
Dieser hatte auf <strong>de</strong>r Universität, da ihm das Studium und das<br />
Arbeiten sehr leicht fielen, <strong>de</strong>s Abends etwas flott gelebt und<br />
war meist recht spät nach Haus gekommen. In <strong>de</strong>n Kreisen, die<br />
er mit Vorliebe aufsuchte, galt es nun e<strong>in</strong>mal für forsch, viel im<br />
Wirtshaus zu sitzen, und wer da nicht mitmachte, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s<br />
Abends zu Hause blieb, e<strong>in</strong> gutes Buch las o<strong>de</strong>r arbeitete, <strong>de</strong>r<br />
kam bei <strong>de</strong>n Tischgenossen schnell <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Verdacht, e<strong>in</strong> Streber<br />
o<strong>de</strong>r gar schlapp zu se<strong>in</strong>. <strong>E<strong>in</strong></strong>en solchen Vorwurf konnte nach ihrer<br />
falschen Auffassung doch e<strong>in</strong> flotter Stu<strong>de</strong>nt nicht auf sich sitzen<br />
lassen. Beim Militär hatte <strong>de</strong>r Studiosus, namens Martens, sich<br />
zuerst brillant geführt; aber jetzt, nach<strong>de</strong>m er Gefreiter gewor<strong>de</strong>n<br />
war und nach se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung se<strong>in</strong>e militärische Karriere gesichert<br />
schien, f<strong>in</strong>g er wie<strong>de</strong>r an zu bummeln. Die Schuld daran trug <strong>de</strong>r<br />
Besuch, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Studiosus vor e<strong>in</strong>iger Zeit von mehreren alten<br />
Freun<strong>de</strong>n erhielt. Die hatten ihn wegen se<strong>in</strong>er Solidität geneckt<br />
und geuzt; das ärgerte ihn, und um ihnen zu beweisen, daß er im<br />
Grun<strong>de</strong> se<strong>in</strong>es Herzens doch noch <strong>de</strong>r alte sei, hatte er mit ihnen<br />
herumgekneipt. Er war <strong>de</strong>s Abends spät nach Haus und am<br />
nächsten Morgen mit mü<strong>de</strong>n Augen und schwerem Kopf zum<br />
Dienst gekommen.<br />
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