Ein Jahr in Waffen - Karlheinz-everts.de
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Am nächsten Morgen zeigte sich die Hand so stark angeschwollen,<br />
daß er <strong>de</strong>n Wachtrapport nicht schreiben konnte, son<strong>de</strong>rn ihn<br />
von e<strong>in</strong>em an<strong>de</strong>ren Mann ausfüllen lassen mußte. Nicht e<strong>in</strong>mal<br />
se<strong>in</strong>en Namen konnte er darunter setzen.<br />
Das war e<strong>in</strong>e sehr dumme Geschichte. Für e<strong>in</strong>en Augenblick<br />
dachte er daran, sich auf <strong>de</strong>m Rapport krank zu mel<strong>de</strong>n; dann<br />
wür<strong>de</strong>n se<strong>in</strong>e Vorgesetzten gleich wissen, warum er nicht selbst<br />
die Papiere ausfülle. Aber so stark die Hand auch schmerzte,<br />
se<strong>in</strong>en Dienst wollte er doch erst noch zu En<strong>de</strong> tun.<br />
Er gab daher <strong>de</strong>m Kalfaktor, <strong>de</strong>r die Rapporte zur Kaserne<br />
trug, <strong>de</strong>n Befehl, dort zu mel<strong>de</strong>n, daß er sich e<strong>in</strong>e Verletzung <strong>de</strong>r<br />
Hand zugezogen habe, die ihn am Schreiben h<strong>in</strong><strong>de</strong>re. Das Nähere<br />
wollte er dann später auf Befragen selbst erzählen; aber er hoffte,<br />
daß man ihn nicht fragen wer<strong>de</strong>. Unter Umstän<strong>de</strong>n konnte man ihm<br />
e<strong>in</strong>en Vorwurf daraus machen, daß er sich bis zu e<strong>in</strong>em ge-wissen<br />
Gra<strong>de</strong> selbst leichts<strong>in</strong>nig <strong>in</strong> Gefahr begeben und sich durch eigene<br />
Schuld dienstuntauglich gemacht hatte, <strong>de</strong>nn daß er mit <strong>de</strong>r<br />
geschwollenen Hand wenigstens für die nächsten vierund-zwanzig<br />
Stun<strong>de</strong>n ke<strong>in</strong>en Dienst tun könne, das mußte er am Mittag<br />
e<strong>in</strong>sehen, als die neue Wache kam, um ihn abzulösen. Es war<br />
ihm ganz unmöglich, e<strong>in</strong>en Griff zu machen; vor <strong>de</strong>m Ab-marsch<br />
mußte ihm das Gewehr auf die l<strong>in</strong>ke Schulter gelegt wer<strong>de</strong>n.<br />
Als er mit se<strong>in</strong>en Leuten abrückte, sah er sich noch e<strong>in</strong>mal nach<br />
<strong>de</strong>m Wachtlokal um. „An diese Wache,” sagte er sich, „will ich <strong>de</strong>nken,<br />
so lange ich Soldat b<strong>in</strong>, und wahrsche<strong>in</strong>lich auch noch viel<br />
länger. Hoffentlich sehe ich diesen trauten W<strong>in</strong>kel nie wie<strong>de</strong>r,<br />
aber wenn doch, dann will ich mich lieber von <strong>de</strong>n Ratten annagen<br />
lassen, als daß ich mich nochmals auf die Jagd begebe.”<br />
Am Nachmittag war <strong>de</strong>r Dicke dienstfrei, da se<strong>in</strong>e Kompanie<br />
schoß und er die Bed<strong>in</strong>gung, die erledigt wer<strong>de</strong>n sollte, bereits<br />
beim vorigen Male erfüllt hatte.<br />
So g<strong>in</strong>g er <strong>de</strong>nn gleich auf die Revierstube, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r die Leichtkranken<br />
<strong>de</strong>s Regiments behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, und ließ sich von <strong>de</strong>m<br />
dort anwesen<strong>de</strong>n Lazarettgehilfen Umschläge verordnen; aber<br />
diese alle<strong>in</strong> halfen auch nichts, und <strong>de</strong>r Dicke mußte sich doch am<br />
nächsten Morgen, so schwer es ihm auch wur<strong>de</strong>, mit <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />
Kranken aus <strong>de</strong>r Revierstube <strong>de</strong>m Assistenzarzt vorführen lassen.<br />
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