Ein Jahr in Waffen - Karlheinz-everts.de
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Aber bevor man noch diesen Rat hätte befolgen können, öffnete<br />
sich die Tür und e<strong>in</strong>e Ordonnanz erschien auf <strong>de</strong>r Schwelle. „Ich<br />
bitte, e<strong>in</strong>treten zu dürfen.”<br />
„Here<strong>in</strong> mit Ihnen, wenn Sie was Gutes br<strong>in</strong>gen,” rief <strong>de</strong>r<br />
Studiosus, „aber h<strong>in</strong>aus mit Ihnen <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Orkus, wenn es was<br />
Schlechtes ist! Was haben Sie da <strong>in</strong> <strong>de</strong>r geheimnisvollen großen<br />
Mappe?”<br />
„<strong>E<strong>in</strong></strong>en Brief vom Regimentsbureau.”<br />
Mit e<strong>in</strong>em Male herrschte Totenstille. Die erwarteten Beför<strong>de</strong>rungen<br />
konnten vielleicht schon heute erfolgen — sollte <strong>in</strong><br />
<strong>de</strong>r großen schwarzen Mappe wirklich die Entscheidung ruhen?<br />
Die Ordonnanz holte <strong>de</strong>n Brief heraus. „Das Schreiben ist<br />
adressiert: An die hoffentlich sehr vergnügte Mittagsgesellschaft<br />
im <strong>E<strong>in</strong></strong>jährigenkas<strong>in</strong>o.”<br />
„Her damit!” rief Bellmann, aber im letzten Augenblick besann<br />
er sich doch e<strong>in</strong>es an<strong>de</strong>ren. „Ne<strong>in</strong>, ich mache <strong>de</strong>n Brief nicht auf;<br />
wenn er vielleicht nichts Gutes enthält, dann will ich nicht <strong>de</strong>r<br />
Unglücksbote se<strong>in</strong>.”<br />
„Dann gib ihn mir,” rief <strong>de</strong>r Dicke; „mir kann er ke<strong>in</strong>e Enttäuschungen<br />
bereiten, diese Gewißheit habe ich.”<br />
Er nahm das Schreiben, öffnete das Kuvert und überflog<br />
<strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>r Zeilen. <strong>E<strong>in</strong></strong>en Augenblick stand er starr und unbeweglich<br />
da, dann aber fiel er mit e<strong>in</strong>em Freu<strong>de</strong>nschrei <strong>de</strong>r Ordonnanz<br />
um <strong>de</strong>n Hals. „Menschensk<strong>in</strong>d, an me<strong>in</strong> Herz!” und <strong>de</strong>n<br />
Soldaten umfassend, tanzte er mit ihm im Zimmer umher. „Bellmann,<br />
spiel e<strong>in</strong>en Walzer, ne<strong>in</strong>, spiel zwei auf e<strong>in</strong>mal; e<strong>in</strong>er<br />
genügt nicht.”<br />
„Dicker, was hast du <strong>de</strong>nn, was gibt es <strong>de</strong>nn nur?”<br />
Alle sprachen laut und lebhaft auf <strong>de</strong>n Dicken e<strong>in</strong>, aber <strong>de</strong>r ließ<br />
sich vorläufig nicht stören; er machte erst noch e<strong>in</strong> paar Freu<strong>de</strong>nsprünge,<br />
dann aber wandte er sich an die Kamera<strong>de</strong>n: „K<strong>in</strong><strong>de</strong>r,<br />
setzt euch h<strong>in</strong>, setzt euch alle h<strong>in</strong>, so, und nun haltet euch fest, noch<br />
viel fester; <strong>de</strong>nkt euch, ich b<strong>in</strong> Gefreiter gewor<strong>de</strong>n, und ihr an<strong>de</strong>ren,<br />
wie ihr alle zusammen dasitzt, ihr seid nicht beför<strong>de</strong>rt.”<br />
Wäre e<strong>in</strong> Blitz zur Er<strong>de</strong> nie<strong>de</strong>rgefahren, so hätte er ke<strong>in</strong>e<br />
größere Wirkung erzielen können, als es jetzt die Worte <strong>de</strong>s Dicken<br />
taten. Sehr erschrocken sahen sich se<strong>in</strong>e Kamera<strong>de</strong>n gegenseitig<br />
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