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Lehr- und Lernkonzepte der 70er und 80er Jahre - ABWF

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de alle Kenntnisse <strong>und</strong> Fertigkeiten anwenden zu können, die das Leben in<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft erfor<strong>der</strong>te, <strong>und</strong> den Platz auszufüllen, den die Gesellschaft<br />

dem Individuum zugewiesen hatte. Eine historische Sozialisationsforschung<br />

hat gezeigt, in welch hochspezialisierter Weise in unterschiedlichen Gesellschaften<br />

die jungen Individuen auf ihre je beson<strong>der</strong>e Rolle hin sozialisiert<br />

wurden, wobei die Tatsache, dass in europäischen Gesellschaften die Eltern<br />

die erste <strong>und</strong> wichtigste Sozialisationsinstanz sind, garantierte, dass die innere<br />

Differenzierung <strong>der</strong> jeweiligen Gesellschaft mit den biologischen Abstammungslinien<br />

korrelierte <strong>und</strong> innerhalb ihrer tradiert wurde. Dies ist bekanntlich<br />

an<strong>der</strong>s in Gesellschaftsformen, in denen eine Kleinfamilie im traditionellen<br />

europäischen Sinne nicht existiert <strong>und</strong> stattdessen Clans, Totemverbände<br />

o<strong>der</strong> altersspezifische Gesellungen wesentliche gesellschaftliche<br />

Differenzierungen <strong>und</strong> zugleich Sozialisationsinstanzen darstellen.<br />

Eine spezielle Einrichtung “Erwachsenenbildung” wäre in vorindustriellen<br />

Zeiten sinnlos gewesen. Schon im Mittelalter gab es jedoch den Zwang, immer<br />

wie<strong>der</strong> Neues zu lernen, auch wenn man eigentlich ausgelernt hatte. An<strong>der</strong>s<br />

wäre z. B. ein so tief greifen<strong>der</strong> Wandel in <strong>der</strong> künstlerischen <strong>und</strong> kunsthandwerklichen<br />

Praxis wie etwa <strong>der</strong> Siegeszug <strong>der</strong> Gotik im 12./13. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

gar nicht möglich gewesen. Erwachsenenbildung vollzog sich aber nicht<br />

als geson<strong>der</strong>te, beson<strong>der</strong>e Veranstaltung, son<strong>der</strong>n als Teil <strong>der</strong> Praxisausübung<br />

selbst. Auch im Mittelalter gab es technologische Revolutionen; sie<br />

vollzogen sich nur langsamer als in <strong>der</strong> industriellen Neuzeit. Die Individuen<br />

konnten sich innerhalb ihrer Lebenszeit eher gemächlich den jeweils neuen<br />

Bedingungen anpassen. Im Kirchen- <strong>und</strong> im Orgelbau z. B. gab es mehrmals<br />

technische Umwälzungen, die jeweils ein Um- <strong>und</strong> Weiterlernen <strong>der</strong> Handwerker<br />

erfor<strong>der</strong>ten. Es existierte jedoch kein Bewusstsein von <strong>der</strong> Gerichtetheit<br />

<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen, keinen “Fortschritt” als Ideologie <strong>und</strong> Wertvorstellung.<br />

Ein solches Bewusstsein tauchte wahrscheinlich zum ersten Mal im 18.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert auf. Oft wurde eine Neuerung auch wie<strong>der</strong> aufgegeben, weil die<br />

Erwartungen, die man in sie gesetzt hatte, sich nicht erfüllten. Technologische<br />

Schübe wurden oft nicht von weitblickenden, innovativen Erfin<strong>der</strong>n<br />

<strong>und</strong> Unternehmern geför<strong>der</strong>t, son<strong>der</strong>n ergaben sich aus <strong>der</strong> Notwendigkeit<br />

heraus. Die meisten technischen Neuerungen wurden nicht etwa eingeführt,<br />

um dem Fortschritt zu dienen, son<strong>der</strong>n weil es nicht mehr an<strong>der</strong>s ging, ein Bedarf<br />

vorhanden war o<strong>der</strong> ein Extraprofit lockte. Und die Entwicklung, Beherrschung<br />

<strong>und</strong> Bedienung dieser neuartigen Geräte ergaben sich in <strong>der</strong> Praxis<br />

von selbst, wurden also nicht geson<strong>der</strong>t gelehrt <strong>und</strong> gelernt. Verbesserungen<br />

<strong>und</strong> damit auch Weiterbildung waren trotz “Brauch” <strong>und</strong> “Meisterlehre”<br />

im Rahmen des jeweiligen Handwerks immer möglich.<br />

Der Status des Gesellen, <strong>der</strong> für die meisten am Handwerk Beteiligten die<br />

Endstation des beruflichen Fortkommens war, bedeutete immer zugleich den<br />

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