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Lehr- und Lernkonzepte der 70er und 80er Jahre - ABWF

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Auffassung von den Funktionen einer Gewerkschaftsorganisation entspricht<br />

zwar sicherlich <strong>der</strong> Definition einer nützlichen Gewerkschaft, die Karl Marx<br />

1849 am Ende seines Vortrags über “Lohnarbeit <strong>und</strong> Kapital” formulierte,<br />

geht aber an <strong>der</strong> Realität <strong>der</strong> Gewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsb<strong>und</strong>es<br />

in den 60er <strong>Jahre</strong>n <strong>und</strong> später weit vorbei. Den von Negt referierten<br />

soziologischen Darstellungen des verdinglichten <strong>und</strong> an oberflächlichen<br />

Phänomenen festgemachten Arbeiterbewusstseins entsprachen offenbar geradezu<br />

ideal die bürokratisch verkrusteten theoretischen Vorstellungen <strong>und</strong><br />

die auf Lohnzuwächse <strong>und</strong> Arbeitszeitverkürzung abzielenden praktischen<br />

Tätigkeiten <strong>der</strong> Gewerkschaften <strong>und</strong> ihrer Funktionäre, die nicht nur zu soziologischer<br />

Phantasie nicht in <strong>der</strong> Lage waren, son<strong>der</strong>n zugleich sich in den<br />

bestehenden Verhältnissen wohnlich <strong>und</strong> wohlig eingerichtet hatten. Kurz<br />

gesagt: Sowohl nach dem Selbstverständnis <strong>der</strong> Funktionäre <strong>und</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Gewerkschaften als auch im Sinne einer systemtheoretischen Gesellschaftsanalyse<br />

war es keineswegs die Aufgabe <strong>der</strong> Gewerkschaften, eine “sozialrevolutionäre<br />

Doppelstrategie” zu betreiben, von gesetzlichen Bestimmungen,<br />

die einen Revolutionär freilich nicht schrecken sollten, einmal ganz<br />

abgesehen. Der Antikapitalismus, den die Gewerkschaften damals häufig,<br />

heute noch bei bestimmten Anlässen in gemil<strong>der</strong>ter Form propagieren, gehört<br />

zur Rhetorik, ist ein Mittel <strong>der</strong> organisationsinternen Sozialintegration,<br />

ist aber eben nicht auf eine revolutionäre Praxis hin ausgerichtet. Freilich<br />

war diese Rhetorik intern durchaus wirkmächtig, <strong>und</strong> deshalb wurde Negt<br />

nicht etwa wegen dieser revolutionären Zielsetzung angegriffen, son<strong>der</strong>n<br />

überwiegend mit scheinbar einleuchtenden Einwänden aus <strong>der</strong> Praxis konfrontiert.<br />

Eher oberflächlich erscheinen die Hauptpunkte <strong>der</strong> vor allem von gewerkschaftlichen<br />

Bildungspraktikern geübten Kritik an <strong>der</strong> Unpraktizierbarkeit<br />

von Negts theoretischem Ansatz, <strong>der</strong> allgemein als gerechtfertigt <strong>und</strong> begründet<br />

angesehen wurde. Diese Hauptkritikpunkte aus <strong>der</strong> gewerkschaftlichen<br />

Bildungspraxis waren:<br />

1. Der Zeitfaktor. Negts Konzeption sieht eine zeitaufwändige gemeinsame<br />

Erfahrungspraxis als eigentliche Lernform vor. Auf gewerkschaftlichen<br />

Wochenendseminaren usw. sei die Zeit dafür einfach nicht vorhanden.<br />

Dieses Argument ist freilich gedanklich nicht von <strong>der</strong> Weigerung zu trennen,<br />

eine als bewährt verstandene traditionelle gewerkschaftliche Bildungsarbeit<br />

infrage zu stellen.<br />

2. Die Heterogenität <strong>der</strong> Teilnehmer, die keinen gemeinsamen Erfahrungshintergr<strong>und</strong><br />

haben, macht gemeinsame Erfahrung weitgehend unmöglich.<br />

Auch dies ist ein Argument, das durch organisatorische <strong>und</strong> inhaltliche<br />

Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> bisherigen Praxis erst zu überprüfen wäre. Offenbar<br />

verbirgt sich hinter diesem Einwand eine unbegriffene Kritik an Negts<br />

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