Lehr- und Lernkonzepte der 70er und 80er Jahre - ABWF
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7.7 Lernen im Kampf (Volkshochschule Wyhlerwald)<br />
“Wir gehen davon aus, dass <strong>der</strong> Kampf gegen das Kernkraftwerk ein kollektiver<br />
Lernprozess ist, in dem Tausende politisiert werden (können), die von an<strong>der</strong>en<br />
politischen Kämpfen bisher ausgeschlossen o<strong>der</strong> sogar abgestoßen waren.<br />
Wir lernen, weil wir etwas wissen müssen, <strong>und</strong> je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> Wissen mitzuteilen<br />
hat, verän<strong>der</strong>t sich, von seinen Schülern <strong>und</strong> in <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Situation<br />
lernend.” (Moßmann, in: Dauber/Verne 1976) Der Freiburger Lie<strong>der</strong>macher<br />
Walter Moßmann, <strong>der</strong> diese Sätze schrieb, war einer <strong>der</strong> Protagonisten<br />
im letztlich erfolgreichen Kampf gegen das in Wyhl am Rande des Kaiserstuhls<br />
geplante Atomkraftwerk. Träger des Wi<strong>der</strong>stands waren – <strong>und</strong> das<br />
war in <strong>der</strong> damaligen Zeit etwas Neues – nicht etwa nur Studenten aus <strong>der</strong><br />
nahe gelegenen Universitätsstadt Freiburg, son<strong>der</strong>n Bauern <strong>und</strong> Winzer aus<br />
<strong>der</strong> betroffenen Region, Menschen, die zweifellos konservativ dachten <strong>und</strong><br />
wählten, die überwiegend katholisch waren, sich nicht leicht zum Protest gegen<br />
Maßnahmen <strong>der</strong> Obrigkeit bereit fanden, aber angesichts <strong>der</strong> von ihnen<br />
erfahrenen Bedrohung ihrer Heimat <strong>und</strong> des befürchteten Nie<strong>der</strong>gangs des<br />
Weinbaus (etwa durch Nebel aus den geplanten Kühltürmen) o<strong>der</strong> wenigstens<br />
<strong>der</strong> Nachfrage nach Kaiserstühler Wein bald sogar zur Besetzung des<br />
Bauplatzes schritten. Zugegebenermaßen war die Einrichtung einer “Volkshochschule”<br />
auf dem Bauplatz im Wald ein Projekt, das von außen, das heißt<br />
von den Freiburger Studenten angestoßen wurde. Eine wichtige Voraussetzung<br />
bestand zweifellos auch darin, dass ein besetzter Bauplatz, auf dem<br />
noch nichts geschieht, denjenigen, die die Besetzung r<strong>und</strong> um die Uhr aufrechterhalten,<br />
viel Muße lässt, sich zu beschäftigen. So entstand die Idee,<br />
sich gemeinsam <strong>und</strong> im Austausch weiterzubilden, wobei zunächst praktische<br />
<strong>und</strong> theoretische Anliegen Thema waren, die unmittelbar mit <strong>der</strong> Situation<br />
zu tun hatten (Bau von Holzhütten, Gr<strong>und</strong>lagen <strong>der</strong> Kernphysik, gewaltfreier<br />
Wi<strong>der</strong>stand usw.). Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> unterschiedlichen Qualifikationen<br />
<strong>und</strong> Kenntnisse <strong>der</strong> Teilnehmer entstand im Lauf <strong>der</strong> Zeit jedoch ein vielseitiges<br />
Bildungsangebot, das Geschichte, Musik, Sprachen, Soziologie <strong>und</strong> Politologie<br />
<strong>und</strong> eine ganze Reihe von Freizeitangeboten umfasste. Die Protagonisten<br />
schreiben <strong>der</strong> Volkshochschule ein großes Verdienst daran zu, dass die<br />
Landesregierung von Baden-Württemberg schließlich die Baugenehmigung<br />
doch nicht erteilte. Ohne dieses Projekt wäre <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>stand, so meinen sie,<br />
bald abgebröckelt <strong>und</strong> zusammengebrochen. Die Auseinan<strong>der</strong>setzung führte<br />
auch auf Fel<strong>der</strong>, die nicht unmittelbar als für den gemeinsamen Erfolg notwendig<br />
angesehen wurden. Selbstverständlich hat diese Konzeption des Lernens<br />
Erwachsener ihre Vorbil<strong>der</strong> <strong>und</strong> ihre theoretischen Vorformulierungen.<br />
Die dritte Feuerbach-These des jungen Marx lautet in <strong>der</strong> Originalfassung:<br />
“Die materialistische <strong>Lehr</strong>e von <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Umstände <strong>und</strong> <strong>der</strong> Erziehung<br />
vergisst, dass die Umstände von den Menschen verän<strong>der</strong>t <strong>und</strong> <strong>der</strong> Erzieher<br />
selbst erzogen werden muss. Sie muss daher die Gesellschaft in zwei<br />
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