Lehr- und Lernkonzepte der 70er und 80er Jahre - ABWF
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Hans Tietgens blickte auf die Geschichte seiner Wissenschaft, <strong>der</strong> Theorie<br />
<strong>der</strong> Erwachsenenbildung, zurück: “Vor mehr als 20 <strong>Jahre</strong>n, 1967, eröffnete<br />
die Pädagogische Arbeitsstelle (Anmerkung <strong>der</strong> Autoren: des Deutschen<br />
Volkshochschulverbandes) ihre Reihe ‘Theorie <strong>und</strong> Praxis <strong>der</strong> Erwachsenenbildung’.<br />
Sie fiel damit aus dem Rahmen des Üblichen, war es doch eine<br />
Zeit, in <strong>der</strong> sich nennenswerte Erwachsenenbildungsliteratur an den Fingern<br />
abzählen ließ. Zwei Jahrzehnte lang hatte die Begegnung, das ‘Lebendige<br />
Wort’, das Gespräch als das Kennzeichnende für die Erwachsenenbildung<br />
gegolten. Ein Buch zu schreiben, gehörte sich nicht für einen ‘richtigen<br />
Volksbildner’. (...) Die Reihe ‘Theorie <strong>und</strong> Praxis <strong>der</strong> Erwachsenenbildung’<br />
hat von vornherein einen Kreis von Lesern ins Auge gefasst, den es zu Beginn<br />
ihres Erscheinens noch kaum gab: die, die Erwachsenenbildung studieren.”<br />
(Tietgens 2000) Mit an<strong>der</strong>en Worten: Seit 1945 kam das Etwas, das man Erwachsenenbildung<br />
nennt, ohne Theorie aus. Tietgens schreibt, dass vor 1967<br />
“die geglückte Improvisation glaubwürdig gemacht” habe. Die Entwicklung,<br />
in <strong>der</strong>en Verlauf zunehmend Professionalität von den Erwachsenenbildnern<br />
gefor<strong>der</strong>t wurde, sei “zweifach angestoßen” worden: einerseits durch ein<br />
neues Denken über die Menschenrechte <strong>und</strong> die Formulierung eines Rechts<br />
auf Bildung. “Und da ließ zum an<strong>der</strong>en die technisch-ökonomische Entwicklung<br />
bislang unbekannte Anfor<strong>der</strong>ungen an die beruflichen Fähigkeiten entstehen.”<br />
Und weiter heißt es bei Tietgens: “An <strong>der</strong> Unterschiedlichkeit <strong>der</strong><br />
Begründungszusammenhänge für ihren Bedeutungszuwachs hatte Erwachsenenbildung<br />
jedoch zu leiden. We<strong>der</strong> Integrationsversuche noch Ausschließungsbestrebungen<br />
konnten sich durchsetzen. Einerseits ist ein weit voneinan<strong>der</strong><br />
distanziertes Vorgehen zu beobachten, an<strong>der</strong>erseits werden gemeinsame<br />
humane Ziele suggeriert. So erscheint <strong>der</strong> Kern dessen, was Erwachsenenbildung<br />
ausmacht, die Lern- <strong>und</strong> Bildungsprozesse, die stattfinden o<strong>der</strong><br />
auch scheitern, gesellschaftlich-politisch verschleiert.” Uns scheint, dass<br />
“<strong>der</strong> Kern dessen, was Erwachsenenbildung ausmacht” selbst ein Teil des<br />
Schleiers ist. Erwachsenenbildung existiert nicht, ihre Einheit ist eine (unbewusste?)<br />
Suggestion, <strong>und</strong> ihre Theorie ist die Theorie einer Illusion, o<strong>der</strong> genauer,<br />
ihre Theorien sind jeweils die Theorien eines Konstrukts. Rechnet <strong>der</strong><br />
eine Theoretiker das Selbststudium mit Hilfe <strong>der</strong> Dritten Fernsehprogramme<br />
zur Erwachsenenbildung ebenso wie die aufklärerischen Zeitschriften des<br />
18. Jahrh<strong>und</strong>erts, lässt <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e nicht institutionalisierte Erwachsenenbildung<br />
nur dann als solche gelten, wenn sich mehrere Menschen zu diesem<br />
Zweck treffen. Weiß <strong>der</strong> eine nicht, ob er religiös begründete Bildungsarbeit<br />
mit Erwachsenen als beson<strong>der</strong>e Kategorie von Erwachsenenbildung o<strong>der</strong> als<br />
Unterart <strong>der</strong> personal begründeten Erwachsenenbildung anschauen soll, bestreitet<br />
wie<strong>der</strong>um ein an<strong>der</strong>er, dass politische <strong>und</strong> religiös begründete Erwachsenenbildung<br />
überhaupt existiere. Mancher Theoretiker identifiziert<br />
umstandslos seine Privatmeinung mit <strong>der</strong> Wissenschaft. “Im wissenschaftlichen<br />
Sprachgebrauch, in Forschung <strong>und</strong> <strong>Lehr</strong>e stellen die beiden Wörter<br />
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