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Lehr- und Lernkonzepte der 70er und 80er Jahre - ABWF

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Markerts Behauptung, “caritative”, also kirchliche Erwachsenenbildung erhebe<br />

nur den Anspruch, benachteiligten Individuen zu helfen, ist falsch. Die<br />

Evangelischen Akademien z. B. haben schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

Bildungsarbeit mit eindeutig erwachsenbildnerischen Konzeptionen in<br />

Angriff genommen. Die Akademie Bad Boll begann bereits im Herbst 1945<br />

mit ihrer Arbeit. Die Konzeption kirchlicher Volksbildungs-Akademien geht<br />

(Kürzdörfer 1976, S. 8) auf Theodor Bäuerle zurück, <strong>der</strong> bereits im <strong>Jahre</strong><br />

1925 in einer Denkschrift “Gedanken zur Errichtung einer Akademie für<br />

Volksbildungswesen” formuliert hatte. “Akademie” sollte die Institution<br />

heißen, weil sie ähnlich wie die bestehenden Fachakademien <strong>der</strong> Ausbildung<br />

<strong>der</strong> Ausbil<strong>der</strong> dienen sollte, also nicht <strong>der</strong> Volks- o<strong>der</strong> Erwachsenenbildung<br />

selbst, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong>en Theoriebildung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Didaktik <strong>und</strong> Pädagogik. Dass<br />

die Evangelischen Akademien faktisch niemals die Gesamtheit <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

erreicht haben <strong>und</strong> vielleicht auch nicht erreichen wollten, ist richtig;<br />

dass sie mit den in ihren Veranstaltungen behandelten Themenbereichen<br />

ähnlich wie die Volkshochschulen die ganze Breite <strong>der</strong> für Erwachsenenbildung<br />

relevanten Sachverhalte abzudecken versuchten, ist jedoch nicht zu bestreiten.<br />

Die Akademien haben sich stets als interdisziplinäre Vermittlungsorte<br />

zwischen Wissenschaft <strong>und</strong> Erwachsenenbildung verstanden. Wenn<br />

Markerts Kritik an <strong>der</strong> klassenverschleiernden Ideologie des Begriffs Erwachsenenbildung<br />

zutrifft, dann trifft er auch die Evangelischen Akademien<br />

<strong>und</strong> in geringerem Maß die katholischen Institutionen <strong>der</strong> Erwachsenenbildung.<br />

Immerhin soll nicht vergessen werden, dass in Westdeutschland vor<br />

1967 eigentlich nur an den Evangelischen Akademien auf intellektuellem Niveau<br />

über Marxismus gesprochen wurde, zwar unter <strong>der</strong> Fragestellung “Marxismus<br />

<strong>und</strong> Christentum”, aber doch keineswegs nur in apologetischer o<strong>der</strong><br />

missionarischer Absicht. An<strong>der</strong>erseits bestand, wie Kürzdörfer referiert,<br />

nach den <strong>Jahre</strong>n <strong>der</strong> Bespitzelung im Nazi-System eine große Nachfrage nach<br />

offener Aussprache, <strong>der</strong> die aus “Rüstzeiten” o<strong>der</strong> “Tagen <strong>der</strong> Stille” aus dem<br />

Repertoire <strong>der</strong> traditionellen Inneren Missionsarbeit bekannten Formen entgegenkamen<br />

(Kürzdörfer 1976, S. 12). Dass die Evangelischen Akademien<br />

nicht wie die VHS weltanschaulich neutral sein konnten, ist selbstverständlich,<br />

jedoch kein Argument für Markerts Ansicht, kirchliche Erwachsenenbildung<br />

sei nicht auf die ganze Gesellschaft hin ausgerichtet, auch wenn sie<br />

von einem missionarischen Auftrag ausgingen. Die Evangelischen Akademien<br />

wurden in den 60er <strong>Jahre</strong>n tatsächlich Foren für gesellschaftliche Debatten,<br />

die immer mehr auf die Welt <strong>und</strong> immer weniger auf den engen kirchlichen<br />

Bereich bezogen waren. Die Gründe dafür liegen sicher im Bedeutungsverlust<br />

<strong>der</strong> traditionellen Formen kirchlicher Arbeit, auf die die Kirchen<br />

mit Entideologisierung, Bürokratisierung, Betonung <strong>der</strong> sozialpolitischen<br />

Arbeit <strong>und</strong> Suche nach “weltlichen” Gesprächspartnern reagierten.<br />

Hilfreich für eine Emanzipation <strong>der</strong> Bildung vom eigentlichen kirchlichen<br />

Weltdeutungsanspruch bot dabei Luthers Zwei-Reiche-<strong>Lehr</strong>e. So wurde es<br />

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