18.11.2013 Aufrufe

Lehr- und Lernkonzepte der 70er und 80er Jahre - ABWF

Lehr- und Lernkonzepte der 70er und 80er Jahre - ABWF

Lehr- und Lernkonzepte der 70er und 80er Jahre - ABWF

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

nach 1968 sogar möglich, in evangelische Erwachsenenbildung Inhalte marxistischer<br />

Gesellschaftskritik zu integrieren. Ernst Lange, Berliner Studentenpfarrer<br />

<strong>und</strong> Anhänger einer revolutionären Interpretation des Evangeliums,<br />

sah in “Basisdemokratisierung” <strong>und</strong> “Überwindung infantiler <strong>und</strong> herrschaftsstabilisieren<strong>der</strong><br />

Ideologien” Lernziele kirchlicher Erwachsenenbildung<br />

(in: Siebert 1977, S. 148 ff.). Alle Theoretiker kirchlicher Erwachsenenbildung<br />

bleiben an traditionelle Muster insoweit geb<strong>und</strong>en, als ihre Texte<br />

neben Anleihen aus gesellschaftstheoretischen Entwürfen immer auch biblisch<br />

getönt sind. Da ist von “Gerechtigkeit” die Rede, von “Versöhnung”<br />

<strong>und</strong> “Umkehr”. “Solidarität” wird mit “Mitmenschlichkeit” übersetzt, die<br />

“Verdammten dieser Erde” erscheinen als die “Mühseligen <strong>und</strong> Beladenen”<br />

<strong>und</strong> die “Natur” als “Schöpfung”. Noch in <strong>der</strong> revolutionären Sprache des Erwachsenenbildners<br />

Rudi Dutschke erscheint das Vokabular seines <strong>Lehr</strong>ers,<br />

des evangelischen Theologen Helmut Gollwitzer.<br />

Eine ähnliche Entwicklung in <strong>der</strong> katholischen Erwachsenenbildung wurde<br />

erst durch das II. Vaticanum <strong>und</strong> sein Dekret “Gaudium et spes” ermöglicht,<br />

in dem ausdrücklich alle Menschen als Zielgruppe kirchlichen Handelns genannt<br />

werden, woraus sich für einige Theoretiker <strong>und</strong> Praktiker katholischer<br />

Erwachsenenbildung die Folgerung ergibt, Bildungsarbeit teilweise vom<br />

Missionsauftrag zu emanzipieren.<br />

Konfessionell geprägte Erwachsenenbildung steht bis heute in <strong>der</strong> ungeklärten<br />

<strong>und</strong> nie zu klärenden Dichotomie zwischen Bildung einer- <strong>und</strong> Mission<br />

<strong>und</strong> Seelsorge an<strong>der</strong>erseits. In beiden Kirchen hat sich eine relative Verselbständigung<br />

<strong>der</strong> Bildungsarbeit vom Missionsauftrag vollzogen. Unterschiede<br />

findet Kürzdörfer nur in “unwesentlichen” Meinungsverschiedenheiten.<br />

Bevorzugen die evangelischen Volksbildner Anleihen bei “weltlichen” philosophischen<br />

<strong>und</strong> anthropologischen Systemen wie etwa <strong>der</strong> Existenzphilosophie,<br />

so ist für ihre katholischen Kollegen doch immer noch das neuthomistische<br />

Menschenbild verbindlich: Der von <strong>der</strong> Erbsünde geprägte<br />

Mensch kann nur mit Hilfe <strong>der</strong> Kirche zum Heil kommen. Und betreiben die<br />

evangelischen Andragogen das aggiornamento, die Anpassung an Tageserfor<strong>der</strong>nisse,<br />

an mo<strong>der</strong>ne didaktische Modelle relativ ungescheut, so ist für<br />

die aus dem <strong>Lehr</strong>amt <strong>der</strong> Kirche erwachsene Bildungsarbeit in katholischer<br />

Sicht stärker an das Gegenüber von <strong>Lehr</strong>er <strong>und</strong> Schüler geb<strong>und</strong>en, auch in <strong>der</strong><br />

Erwachsenenbildung (Kürzdörfer 1976, S. 166). Dass die kirchlichen Institutionen<br />

sich zu dem pragmatisch-weltlichen Begriff “Erwachsenenbildung”<br />

bekannten, erfolgte freilich auch aus finanziellen Erwägungen, nämlich um<br />

an staatlichen Bildungszuschüssen zu partizipieren, <strong>und</strong> bedeutet nicht per se<br />

eine Übernahme eines weltanschaulich neutralen Begriffs von Bildungsarbeit.<br />

82

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!