Lehr- und Lernkonzepte der 70er und 80er Jahre - ABWF
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Die These Liebknechts ist in vielen Abwandlungen in Konzeptionen <strong>der</strong> Erwachsenenbildung<br />
eingegangen. An die Stelle <strong>der</strong> “Bourgeoisie” treten in<br />
manchen Konzeptionen Strukturen <strong>der</strong> bürgerlichen Gesellschaft o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />
mehr o<strong>der</strong> weniger greifbare Gegner, die Springerpresse o<strong>der</strong> die Medien<br />
insgesamt o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>erseits die “Lernbarrieren” <strong>der</strong> Arbeiter o<strong>der</strong> (mit einem<br />
philosophischen Terminus des jungen Marx) die “Entfremdung”. In den<br />
<strong>70er</strong> <strong>und</strong> <strong>80er</strong> <strong>Jahre</strong>n war die Begründung dieser Konzeption mit Begriffen<br />
aus <strong>der</strong> marxschen Kritik <strong>der</strong> politischen Ökonomie o<strong>der</strong> auch aus den Gesellschaftstheorien<br />
späterer sich als marxistisch verstehen<strong>der</strong> Autoren mindestens<br />
im universitären Bereich <strong>der</strong> “Gr<strong>und</strong>lagenforschung” durchaus nicht<br />
selten. Schon ihr Bezug auf Theorien, die im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert entwickelt wurden,<br />
zeigt, dass diese zweite Ansicht von einem eher statischen Begriff des<br />
Wissens, <strong>der</strong> Bildung ausgeht, während die erste <strong>der</strong> dynamischen Entwicklung<br />
von Technik <strong>und</strong> Wirtschaft folgt. Die Erwachsenenbildung in <strong>der</strong> DDR,<br />
aber zum Teil auch in <strong>der</strong> westdeutschen sozialistischen <strong>und</strong> gewerkschaftlichen<br />
Bildungsarbeit folgte <strong>der</strong> statischen Konzeption: Gefor<strong>der</strong>t ist eine an<strong>der</strong>e,<br />
bessere Vermittlung wenigstens von Teilen des bürgerlichen Bildungsgutes,<br />
nämlich den fortschrittlichen Inhalten bürgerlicher Wissenschaft <strong>und</strong><br />
Bildung. Oft wurde kritisiert, dass dabei nichts als ein Abklatsch, eine bürgerliche<br />
Pseudo- o<strong>der</strong> Halbbildung herauskommen könne. Eine eigene, neue,<br />
an<strong>der</strong>e Form von Wissen zu entwickeln, fällt im Rahmen dieser Konzeption<br />
schwer. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass ja auch die an<strong>der</strong>e, die<br />
erste Begründung von Erwachsenenbildung, keine schöpferische, son<strong>der</strong>n<br />
nur eine Anpassungsleistung intendiert. Die Verän<strong>der</strong>ungen, die die Mobilität<br />
des Lernens verlangen, werden in dieser ersten, technologischen Konzeption<br />
lebenslangen Lernens aus den Vorgaben <strong>der</strong> technologischen Entwicklung<br />
bezogen <strong>und</strong> setzen kein “alternatives”, selbstbestimmtes Lernen voraus.<br />
Die beiden genannten Konzeptionen kommen in <strong>der</strong> Praxis nicht in Reinform<br />
vor. Vertreter bei<strong>der</strong> Konzeptionen machen mehr o<strong>der</strong> weniger offen Anleihen<br />
bei <strong>der</strong> jeweils an<strong>der</strong>en; allgemein bildende Kurse in Volkshochschulen<br />
haben, auch wenn sie Bildungs-Nachholbedarf bei Erwachsenen decken,<br />
zwar selten die explizite gesellschaftskritische Begründung, man hätte den<br />
Menschen die Bildung vorenthalten. Aber in <strong>der</strong> Sache <strong>und</strong> im Bewusstsein<br />
<strong>der</strong> Agenten war Erwachsenenbildung oft eine Art “kompensatorische Erziehung”<br />
von Erwachsenen, die in ihrer Jugend nicht die Gelegenheit hatten,<br />
eine umfassende Bildung zu erhalten. Dies gilt nicht nur, aber beson<strong>der</strong>s im<br />
Bereich <strong>der</strong> politischen Bildung. Diese Konzeption von Erwachsenenbildung<br />
als kompensatorische Erziehung verband sich in <strong>der</strong> Nachkriegszeit mit<br />
dem Anspruch, dass Erwachsenenbildung immer <strong>und</strong> unter allen Umständen<br />
auch politische Bildung zu sein habe. Erwachsenenbildung nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg entstand ja eigentlich aus <strong>der</strong> Kritik an <strong>der</strong> nationalsozialisti-<br />
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