Lehr- und Lernkonzepte der 70er und 80er Jahre - ABWF
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en Konzeptionen <strong>der</strong> Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung, also <strong>der</strong> Erwachsenenbildung<br />
tief beeinflusst. Es ist vor allem die Furcht vor <strong>der</strong> ständigen Beschleunigung<br />
<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung, die manchmal zu einer gewissen Kurzatmigkeit in<br />
<strong>der</strong> Theoriebildung führt. So legten Georg Picht <strong>und</strong> Friedrich Edding bereits<br />
1972 dar, dass <strong>der</strong> Zuwachs <strong>und</strong> die Verän<strong>der</strong>ung des Wissens in einem immer<br />
rascheren Tempo Verän<strong>der</strong>ungen in den technischen, ökonomischen <strong>und</strong><br />
gesellschaftlichen Strukturen bewirke, <strong>und</strong> sie for<strong>der</strong>ten mit dieser Begründung,<br />
die Gesellschaft müsse sich Einrichtungen schaffen, die die notwendigen,<br />
aus dieser immer rascheren Verän<strong>der</strong>ung folgenden Prozesse <strong>der</strong> Weiterbildung<br />
trügen: “Wenn unsere Gesellschaft wirtschaftlich bestehen soll,<br />
muss sie sich in eine gebildete Gesellschaft verwandeln.” (Picht u. a. 1972)<br />
Bekanntlich hat sich unsere Gesellschaft damals nicht in eine gebildete Gesellschaft<br />
verwandelt <strong>und</strong> besteht wirtschaftlich immer noch. Der Bildungsbegriff,<br />
<strong>der</strong> in diesem Zitat zum Ausdruck kommt, war freilich nicht mit den<br />
konkreten Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Wirtschaft zu diesem Zeitpunkt abgestimmt.<br />
Immerhin bestimmten Pichts seit 1965 immer wie<strong>der</strong> erhobene Warnrufe die<br />
Diskussion um die Erwachsenenbildung mindestens während <strong>der</strong> <strong>70er</strong> <strong>Jahre</strong>.<br />
Dabei wurde aber meistens nicht genügend bedacht, dass <strong>der</strong> technische<br />
Wandel sich nicht gleichförmig in allen Bereichen von Wissenschaft, Technologie<br />
<strong>und</strong> Wirtschaft vollzieht. Es sind von jeher immer nur Teilbereiche,<br />
in denen sich ein schneller “Fortschritt” vollzieht; an<strong>der</strong>e Bereiche bleiben<br />
von einem Umsturz lange Zeit unberührt. Nicolaus Ottos Gasmotor, <strong>der</strong> Otto-Motor,<br />
wurde im <strong>Jahre</strong> 1867 patentiert <strong>und</strong> läuft <strong>und</strong> läuft. Auch wirken<br />
die Verän<strong>der</strong>ungen in Schlüsseltechnologien wie etwa <strong>der</strong> elektronischen<br />
Datenverarbeitung auf verschiedene Bereiche wirtschaftlicher Aktivitäten<br />
mit unterschiedlicher Geschwindigkeit <strong>und</strong> in unterschiedlich tief greifen<strong>der</strong><br />
Weise.<br />
Dass <strong>der</strong> schnelle technologische Wandel zu lebenslangem Lernen zwinge,<br />
gilt heute weithin als ausgemacht. Diese Ansicht ist auch von <strong>der</strong> zweiten Begründung<br />
– <strong>der</strong>, dass in <strong>der</strong> Jugend nicht das Richtige gelernt worden sei –<br />
nicht zu trennen. Dennoch muss man die beiden theoretischen Ansätze prinzipiell<br />
voneinan<strong>der</strong> unterscheiden. Der zweite Ansatz besagt, dass viele o<strong>der</strong><br />
die meisten Menschen in <strong>der</strong> Gesellschaft nicht die Möglichkeit haben, das<br />
zu lernen, was sie eigentlich lernen könnten. Ihren klassischen Ausdruck hat<br />
diese Ansicht in <strong>der</strong> Parole gef<strong>und</strong>en, die Wilhelm Liebknecht im <strong>Jahre</strong> 1872<br />
formulierte: “Wissen ist Macht – Macht ist Wissen.” Das bedeutete zweierlei:<br />
Die herrschende Bourgeoisie monopolisiert das Wissen, hält die beherrschte<br />
Arbeiterklasse bewusst in Unwissen <strong>und</strong> bringt ihr nur soviel an<br />
Wissen nahe <strong>und</strong> bei, wie nötig ist, um sie ausbeuten zu können <strong>und</strong> ihre eigene<br />
Macht zu sichern. An<strong>der</strong>erseits aber heißt Liebknechts Parole: Die Arbeiterklasse<br />
muss sich das Herrschaftswissen <strong>der</strong> Bourgeoisie aneignen, <strong>und</strong> auf<br />
diesem Wege fällt ihr dann auch die politische <strong>und</strong> ökonomische Macht zu.<br />
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