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Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...

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260 Reinhard Kiïhril<br />

stellt. Das entspricht zwar dem Selbstverständnis dieser Gruppe,<br />

aber keineswegs der Wirklichkeit: tatsächlich handelt es sich um<br />

einen kleinbürgerlichen Antikapitalismus, der zwar das Großkapital<br />

bekämpfte und zu diesem Zweck ein Bündnis mit den Arbeiterparteien<br />

zu schließen bereit war, am Prinzip des Privateigentums aber<br />

ebenso fanatisch festhielt wie der Hitlerflügel und den Schutz der<br />

kleinen Selbständigen zur Hauptaufgabe der Staatsgewalt erklärte 2 .<br />

Mit der Kolonialkonzeption der NSDAP befaßt sich der junge<br />

Mannheimer Historiker Klaus Hildebrand*. Was in dieser fast 1000<br />

Seiten umfassenden Dissertation an Materialien verarbeitet wurde,<br />

ist in der Tat beachtlich. Obgleich die Untersuchung Hildebrands<br />

ständig um das Denken und die Politik Adolf Hitlers kreist und insoweit<br />

der herkömmlichen, auf Führerpersönlichkeiten konzentrierten<br />

deutschen Geschichtswissenschaft folgt, wird doch deutlich, daß <strong>Faschismus</strong><br />

etwas mit gesellschaftlichen Interessen und Konflikten zu<br />

tun hat: Hildebrand fragt auch nach der „Sozialgeschichte der Kolonialbewegung"<br />

und nach den ökonomischen Interessen, die mit der<br />

Kolonialkonzeption einerseits und der auf Eroberung osteuropäischer<br />

Gebiete gerichteten Konzeption andererseits verknüpft waren. Dabei<br />

erweist sich, was zu vermuten war: „Die Kolonialbewegung stützt<br />

sich fast ausschließlich auf die administrativen, militärischen und<br />

wirtschaftlichen Führungsschichten sowie auf das akademisch gebildete<br />

Bürgertum. ... Das für die Entwicklung der verspäteten deutschen<br />

Nation' so charakteristische Bündnis des ursprünglich liberalen<br />

Bürgertums mit den Resten der vorkapitalistischen Führungsgruppen<br />

des Adels ist auch bei der Kolonialbewegung als typisches soziales<br />

Grundmuster gegeben" (105).<br />

Innerhalb der ökonomischen Führungsgruppen waren es weniger<br />

die Konzerne der Schwerindustrie, die hier unmittelbare Interessen<br />

wahrten, obgleich auch sie —• aus grundsätzlichen machtpolitischen<br />

Erwägungen und aus Tradition — die Kolonialbewegung am Rande<br />

unterstützten. Die Zweige der „verarbeitenden Industrie, der Chemie<br />

und Textilbranche, die kommerziellen Kolonialgesellschaften<br />

und Schiffahrtslinien sowie die Banken" sind dagegen unmittelbar<br />

„am Kolonialgeschäft interessiert" (107). Diese Interessendivergenz<br />

deutete sich bereits im Kaiserreich und in der Kriegszieldiskussion<br />

des Ersten Weltkrieges an: Der Schwerindustrie war schon damals<br />

die Eroberung der Erzlager in Ostfrankreich und im Kaukasus wichtiger<br />

als ein afrikanisches Kolonialreich. Obwohl Kolonialpolitik für<br />

das Deutsche Reich seit 1918 das Stadium der politisch-militärischen<br />

Praxis niemals erreicht hat, spielte sie doch, wie Hildebrand zeigen<br />

kann, eine beachtliche politische Rolle — auch und gerade nach 1933.<br />

2 Zu diesem Problem vgl. R. Kühnl, Die nationalsozialistische Linke,<br />

Meisenheim 1966.<br />

* Hildebrand, Klaus: Vom Reich zum Weltreich. Hitler, NSDAP<br />

und koloniale Frage 1919—1945. Veröffentlichungen des Historischen<br />

<strong>Institut</strong>s der Universität Mannheim, Bd. 1. Wilhelm Fink Verlag, München<br />

1969 (955 S., Ln., 96,— DM).

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