Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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Der Propagandaapparat des NS-Staates 307<br />
bekannt ist: die Übertragung eigener tabuierter (faschistisch-„totalitärer")<br />
Tendenzen und Neigungen auf einen Gegner (Sowjetunion),<br />
dessen unterstellte Aggressionsabsichten die eigenen Aggressionshemmungen<br />
beseitigen und zugleich eine integrative Wirkung auf<br />
die Ingroup (die „Freie Welt") dergestalt ausüben sollen, daß sie „im<br />
Zuge der Selbstverteidigung" alle jene Eigenschaften annehmen<br />
darf, die sie beim Gegner bekämpft. So wie der nordischen Rasse von<br />
den Faschisten Reinheit, Unschuld, Kraft, Treue usw. und den anderen<br />
zu bekämpfenden Rassen sexuelle „Perversion", Verwilderung,<br />
Hinterlist und Parasitentum unterstellt werden, um nach der reinlichen<br />
Scheidung die eigenen Fehler beibehalten und sie nur am Gegner<br />
bekämpfen zu können, so suggeriert die Totalitarismustheorie<br />
analog die ungetrübte Realität von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit<br />
im eigenen Lager und den Zustand totaler Unfreiheit, Ungleichheit<br />
und Angst in den „totalitären" Staaten, um diese als Aggressionsobjekt<br />
zu erhalten. Da die Totalitarismustheorien sich — wenn<br />
auch nicht mehr politologisch, so doch im vorwissenschaftlichen Raum<br />
— noch einer guten Konjunktur erfreuen, erscheint es angebracht,<br />
an einem Beispiel aus dem Bereich der Vermittlungsinstitutionen<br />
zwischen Gesellschaft und Staat die spezifische Funktion faschistischer<br />
Herrschaftsausübung zu untersuchen.<br />
II.<br />
Die Gesellschaftsordnung des organisierten Kapitalismus kennt<br />
keine Trennung mehr von Öffentlichkeit und Privatsphäre. Die kapitalistischen<br />
Privatinteressen haben sich organisiert und damit politisiert.<br />
Die Konkurrenz organisierter Privatinteressen dringt nun in<br />
die Öffentlichkeit, die allerdings zum bloßen Verkündigungsort und<br />
Werbeforum nichtöffentlich agierender privilegierter Interessen wird.<br />
Der durch nicht-öffentliche Kompromisse ausgehandelte Konsensus<br />
hat mit dem „Allgemeininteresse" nicht mehr viel zu tun, selbst<br />
wenn man berücksichtigt, daß jenes „Allgemeininteresse" sich immer<br />
nur auf das Publikum der kapitalistischen Privateigentümer bezog.<br />
Die Zentralisation des Kapitals macht aus dem „Allgemeininteresse"<br />
vollends eine Phrase, die der inszenierten Öffentlichkeit als Hülle<br />
privilegierter Interessen zugemutet wird. Es „gibt" keine Öffentlichkeit<br />
mehr, sie muß gemacht werden („Öffentlichkeitsarbeit"). Publizität<br />
wird zur Publicity.<br />
Im gleichen Maße verliert auch der Redakteur einer Zeitung seine<br />
publizistische Autonomie. In der politischen Presse untersteht er<br />
einer Aufsichtskommission, an deren Direktiven er gebunden ist. In<br />
der kommerziellen Presse geht es ihm nicht besser: Nicht mehr ein<br />
hervorragender Redakteur, sondern der Verleger gibt einer Zeitung<br />
Rang und Namen. Er erwartet von seinen Redakteuren weisungsgebundene<br />
Arbeit im privaten Interesse eines Erwerbsunternehmens.<br />
Das affiziert auch das Publikum: „Der unmittelbare Publizitätseffekt<br />
erschöpft sich nicht in jener entkommerzialisierten Werbewirkung<br />
einer aura of good will, die Zustimmungsbereitschaft produziert.<br />
Diese Publizität taugt nun über eine Beeinflussung der Konsumenten-