Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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Fragen der <strong>Faschismus</strong>diskussion 289<br />
vorwiegend kleinbürgerlich bestimmt ist" (154). Aber die Antwort<br />
darauf kann nicht gelingen, solange man sich nur zwischen Begriffen<br />
wie „konservative" und faschistische Rechte, „autoritär-hierarchisch"<br />
und „demokratisch" bewegt und vor allem die Verfassungskonformität<br />
als Kriterium der Mitte bestehen läßt. Kühnl schildert den<br />
Übergangsprozeß zum <strong>Faschismus</strong> mit folgenden Sätzen: „Erweisen<br />
sich diese Regierungsformen (nämlich diejenigen einer von autoritären<br />
Elementen durchsetzten parlamentarischen Demokratie; d. Verf.)<br />
als unzureichend, die bestehenden Herrschaftsverhältnisse gegen demokratische<br />
Bewegungen zu verteidigen, so neigt die konservative<br />
Rechte zur Verselbständigung der Exekutive und zur Errichtung<br />
einer autoritären Diktatur. Ist auch diese nicht stark genug, um das<br />
kapitalistische System zu bewahren, so sind die Führungsgruppen in<br />
Wirtschaft, Gesellschaft und Staatsapparat zum Bündnis mit der faschistischen<br />
Bewegung bereit, die dann zwar die politische Gewalt<br />
übernimmt, die sozialen Privilegien der Oberklassen jedoch garantiert"<br />
(154). Dieses „zwar ... jedoch", um das es in der gegenwärtigen<br />
<strong>Faschismus</strong>debatte geht, kann Kühnl von den Voraussetzungen her,<br />
an die er sich durch seine Entscheidung für liberal vorgeprägte Begriffe<br />
gebunden hat, nur konstatieren, aber nicht erklären. Das macht<br />
das Dilemma aus.<br />
Und dieses Dilemma nun wird mittels einer großen Hilfshypothese<br />
überbrückt, zu der Kühnl — und nicht nur er allein — Zuflucht<br />
nimmt. Die Erklärung des unerklärt Gebliebenen liefert wie ein deus<br />
ex machina die Verselbständigungstheorie. Tatsächlich läßt sich ohne<br />
endgültigen Einblick in Charakter und Ablauf des Umschlagsvorganges<br />
die zentrale Frage nach dem Verhältnis von Monopolkapital<br />
und faschistischer Partei und so also auch der letztlich auf einer<br />
bloßen Blickverengung beruhende Streit zwischen der sogenannten<br />
„Agententheorie" und der Verselbständigungstheorie nicht zur Klärung<br />
bringen. Die Verselbständigungstheorie bietet sich indessen als<br />
Fluchtweg an, der es einem erspart, sich um diesen Einblick zu bemühen,<br />
weil sich nun alles aus der Annahme eines autonomen, auf<br />
eine gleichsam technische, klassenneutrale Gesetzlichkeit zurückzuführenden<br />
Oligarchisierungsprozesses innerhalb der Parteien (und so<br />
nur unter anderem auch innerhalb der faschistischen Partei) erklären<br />
läßt. Im exzessiven Rückgriff auf Verselbständigungs- und Bürokratisierungstheorien<br />
spiegelt sich jedoch immer nur ein ungenügend<br />
entwickeltes Verhältnis zur Frage nach den gesellschaftlichen Inhalten<br />
einer Politik wider. In Wirklichkeit ist die Logik der sozialen<br />
Interessen stets viel härter und dynamischer als die tendenzielle<br />
Eigengesetzlichkeit von Apparaten; wo diese zur prima causa gemacht<br />
wird, da schlägt Sozialkritik regelmäßig um in bürgerliche<br />
Sozialphilosophie, da wird z. B. das, was seinem sozialen Charakter<br />
nach monopolkapitalistische Formierung ist, zu einem von den organisierten<br />
gesellschaftlichen Großkollektiven selbst produzierten gesetzmäßigen<br />
„Entartungs"vorgang. Von Robert Michels, den Kühnl<br />
erstaunlich unkritisch rezipiert (56), ist es in der Tat nicht weit, um<br />
schließlich ganz im Sinne der heutigen rechtsliberalen und neokon-