Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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466 Besprechungen<br />
Machtstruktur (143 ff., 205 ff.), die freilich die Spannungen zwischen<br />
Heeres- und Wehrmachtsführung überbewertet, und die Interpretation<br />
der Denkschriften Becks aus den Jahren 1937 und 1938 (222 ff.,<br />
301 ff.) fördern Einsichten zutage, wie sie eine unvoreingenommene<br />
Lektüre der Quellen ohnehin hätte nahelegen müssen. Zugestanden<br />
wird, daß die Ablehnung der faschistischen Expansionspolitik durch<br />
das Militär nicht „prinzipieller, sondern relativer Natur" (236) war;<br />
daß Opposition dergestalt auf „Opposition aus Opportunität" (251)<br />
sich beschränkte. Im Hinblick auf Beck konstatiert Müller „prinzipielle<br />
Übereinstimmungen mit einigen Vorstellungen Hitlers" (250),<br />
eine vorbehaltlose Anerkennung der „Notwendigkeit und Berechtigung<br />
einer Revisionspolitik, mehr noch: einer nationalstaatlichen Expansions-<br />
und Machtpolitik"; Becks Vorbehalte beschränkten sich auf<br />
die derzeitige „Durchführbarkeit" und „Opportunität" einer solchen<br />
Politik (251). Auch für den vagen Plan einer kollektiven Rücktrittsdrohung<br />
der Generalität im Sommer 1938 gilt: „Die Person des<br />
Staatsoberhaupts war für Beck damals bei aller unverhohlenen, heftigen<br />
Kritik noch unantastbar ... Es ging für ihn ... nicht um das<br />
politische System überhaupt, sondern um die Reform dieses Systems"<br />
(328). Müller charakterisiert denn auch die Pläne Becks euphemistisch<br />
und ohne Gespür für die Dialektik seiner Argumentation als „Reformprogramm"<br />
(329). Und in der Tat bleibt der Verfasser auch für die<br />
Folgezeit den Nachweis tatsächlichen „Widerstandes" schuldig (345 bis<br />
573 für den Zeitraum von 1938 bis Anfang 1940). Bezeichnend für die<br />
Methode dieser sublimen Form wissenschaftlicher Apologetik ist dabei,<br />
daß es ihr dennoch gelingt, der Reflexion über den Sinn der<br />
eigenen Fragestellung auszuweichen. Die Tatsachendarstellung enthüllt<br />
sich deshalb bei näherem Zusehen als Produkt einer methodischen<br />
Defensivstrategie, die beständig Teilwahrheiten für die ganze<br />
Wahrheit verkauft. Im einzelnen lassen sich vier Argumentationsebenen<br />
unterscheiden.<br />
1. Die Kritik der offenkundigsten Schwächen. Hierzu zählt in erster<br />
Linie das Staats- und Gesellschafts„ideal" des Militärs. Müller läßt<br />
keinen Zweifel daran, daß er das „Wunschbild eines starken, straff<br />
autoritär geführten, nationalistischen Machtstaates" (41) verurteilt<br />
und keinerlei Sympathie für die Neigung des Militärs zum „autoritär<br />
strukturierte(n) Obrigkeitsstaat" (21) hegt. Die prinzipielle Verwandtschaft<br />
solcher Vorstellungen mit faschistischen wird nicht geleugnet.<br />
2. Die Konstruktion einer „defensiven Mentalität" des Militärs.<br />
Dadurch soll der Eindruck einer aktiven Teilhabe des Militärs am<br />
Aufbau der faschistischen Gesellschaftsordnung abgeschwächt werden.<br />
Hierher gehört der durchaus kritisch gemeinte Hinweis auf die „offenkundige<br />
Hilflosigkeit (des Militärs) gegenüber totalitären Praktiken,<br />
die Blindheit gegenüber der sich verändernden Machtkonstellation,<br />
das nahezu widerspruchslose Zurückstehen, wenn .politische' Argumente<br />
ins Spiel gebracht wurden, ebenso auch das Reagieren und<br />
Handeln ausschließlich aus organisatorisch-technischen Denkkategorien<br />
heraus gegenüber Problemen von höchster politischer Tragweite<br />
..." (273). Eng damit verbunden ist