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Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...

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420 Besprechungen<br />

Gehlen, Arnold: Moral und Hypermoral. Eine pluralistische<br />

Ethik. Athenäum Verlag, Frankfurt/M.-Bonn 1969 (193 S., geb.,<br />

22,— DM).<br />

Der Titel ist irreführend und das gleich doppelt: Wer im Vertrauen<br />

auf den so anspruchsvoll wie beruhigend akademisch-wissenschaftlich<br />

formulierten Untertitel einen Begründungszusammenhang erwartet,<br />

aus dem Bestimmungsgründe und Beurteilungskriterien von<br />

Handeln abzuleiten wären, trifft auf ein gebildetes Pamphlet über<br />

den Verfall der Sitten. Wer von dem Spezifikum des Titels „pluralistisch"<br />

angezogen wird, sieht sich konfrontiert mit der Propaganda<br />

nur einer Tugend, der des Staates. Zur Illustration des Sittenverfalls<br />

hält Gehlen Schnappschüsse wie diesen bereit: „... Kleindifferenzierungen<br />

(gelten) als untragbar, die seit Jahrhunderten niemandem aufgefallen<br />

waren, oder es wird ein mühsames Geschäft, sie zu behaupten.<br />

So wurde es im September 1967 zu einem Problem, ob Putzfrauen<br />

mit Generalen denselben Fahrstuhl benutzen sollten, und ein<br />

Staatssekretär entschied den Sieg der ersteren" (66). Der Ekel, Bürger<br />

eines Staates solcher Staatssekretäre zu sein, durchtränkt das<br />

Buch. Verantwortlich für diesen „Vorrang des Sozialen vor der Politik<br />

der Größe" (68) ist die Moral des „Massenlebenswertes" (66). Gegen<br />

den von ihr in Gang gesetzten „Automatismus der Glücksgefräßigkeit"<br />

(64) richtet Gehlen seinen ethischen Pluralismus, um Platz<br />

zu schaffen für die eigentliche Absicht des Buches, eine, wie er sagt,<br />

„in deutscher Sprache reichlich paradoxe und unzeitgemäße Apologie<br />

der Macht" (116). Zu befürchten ist aber, daß die Aufnahme des<br />

Buches unter der Regie des Schlagwortes Pluralismus ablaufen wird,<br />

als ob im Pluralismusprogramm des Buches sein sachlicher Gehalt<br />

läge, im Plädoyer für das Ethos der Macht jedoch nur das abstreifbare<br />

Vorurteil des Autors. Nehmen wir deshalb die Pluralismusthese<br />

des Buches beim Wort.<br />

Gehlen unterscheidet vier ethische Verhaltensweisen mitsamt den<br />

dazugehörigen Programmen:<br />

„1. Das aus der Gegenseitigkeit entwickelte Ethos.<br />

2. Eine Mehrzahl instinktiver, verhaltensphysiologisch greifbarer<br />

Regulationen, einschließlich der Ethik des Wohlbefindens und des<br />

Glücks (Eudaimonismus).<br />

3. Das familienbezogene ethische Verhalten samt der daraus ableitbaren<br />

Erweiterungen bis zum Humanitarismus und<br />

4. das Ethos der <strong>Institut</strong>ionen, einschließlich des Staates" (47).<br />

Allesamt sollen diese voneinander unabhängigen Formen des Ethos<br />

ihre Herkunft in verschiedenen „triebartigen Anlagen" (38) haben.<br />

Gehlen spricht deshalb von „Sozial-Regulationen" (38). Aber offensichtlich<br />

haben diese Regulationen im Verhältnis untereinander nicht<br />

den gleichen Status bzw. ihr Abstand, ihr Verhältnis zur biologischen<br />

Grundlage ist verschieden. Das wird nicht erklärt, nicht einmal erörtert;<br />

ebensowenig die Frage, warum und wie es zur Unterscheidung<br />

gerade dieser vier Ethosformen komme und ob sie überhaupt<br />

vollständig sei. Aber wichtiger ist die Frage: Wie sind die Ansprüche

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