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Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...

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Die Ursachen der Studentenbewegung 385<br />

Aktivisten und mit Hilfe der Massenmedien als Themen, der Jugendkultur<br />

stilisiert. Anti-Vietnam-Proteste haben für viele Beteiligte den<br />

gleichen politischen Gehalt wie Schockfarben oder eine abweichende<br />

Haartracht: nämlich keinen" 35 .<br />

Die Problemverdrängung durch den Jugendtopos geschieht auf<br />

zweierlei Weise: einmal durch Verschiebung dar Protestursache auf<br />

andere Instanzen, nämlich die primärer (und sekundärer) Sozialisation,<br />

die damit zu Sündenböcken ernannt werden, zum andern, indem<br />

überhaupt jede objektive Grundlage (und auch jede Berechtigung)<br />

des Protests hinwegpsychologisiert wird. Die Psychologisierungstaktik<br />

(strukturell gleich der der Pathologisierung und Kriminalisierung)<br />

löst protestbedingende gesellschaftliche Widersprüche<br />

und deren Artikulation auf in die nur-psychische Befindlichkeit der<br />

Protestierenden, denen durch die Kennzeichnung als unreif und unzurechnungsfähig<br />

vorab jede politische Legitimation entzogen werden<br />

soll 353 . Angeführt wird hier etwa: das immer und überall auftretende<br />

abweichende Verhalten einiger Jugendlicher 36 , in mißbräuchlicher<br />

Anlehnung an Erikson: die schlechthinnige Identitätskrise der jungen<br />

Menschen um zwanzig 37 .<br />

Die im folgenden skizzierten Versuche, die Protestursache auf der<br />

Erfahrung von Gesellschaft und Hochschule (zeitlich) vorgeordnete<br />

Sozialisationsinstanzen zu verschieben, stützen sich in keiner Weise<br />

auf wissenschaftliche oder sozialisationstheoretische Ansätze (und<br />

können es auch nicht, da es in der BRD bisher so gut wie keine Sozialisationsforschung<br />

gab). Sie sind dementsprechend so aphoristisch<br />

formuliert, daß nicht einmal zwischen den Funktionen der einzelnen<br />

Instanzen (Familie, Schule) differenziert, sondern der Sozialisationsprozeß<br />

pauschal verantwortlich gemacht wird. Denn: die Funktion des<br />

Jugendtopos ist wichtig, die „theoretischen" Begründungen, die ihm<br />

nachgeschickt werden, sind es nicht.<br />

Einmütig wird hier die besondere historische Situation der BRD<br />

nach dem 2. Weltkrieg verantwortlich gemacht, gekennzeichnet als<br />

Freiheit vom <strong>Faschismus</strong>, allgemeiner Aufbautätigkeit und wachsendem<br />

Wohlstand 38 . Alle diese Faktoren wirken zusammen zu einem im<br />

Vergleich zu vorangehenden Zeitabschnitten größeren Ausmaß an<br />

Repressionslosigkeit. Diese „Freiheit" jedoch, und das ist wichtig, wird<br />

35 Scheuch, Aspekte, S. 18/19.<br />

35a Hier läßt sich auch die häufig zustimmend zitierte große moralische<br />

Rüge von George Kennan einordnen, der die amerikanischen Radikalen<br />

als „Kinder einer durch einen allzu plötzlichen und für das menschliche<br />

Anpassungsvermögen allzu übereilten technologischen Prozeß desorientierten<br />

Generation Menschen erkennen" möchte. Kennan, S. 162.<br />

36 Schoek, in: Schoeps/Dannenmann, S. 154: „Es hat noch nie eine gesellschaftliche<br />

Umwelt gegeben und es kann grundsätzlich auch keine<br />

geben, in der nicht einige, meist jüngere Menschen sich mißverstanden,<br />

falsch behandelt, zu wenig beachtet oder gewürdigt fühlen. Selbst Naturvölker<br />

haben in vielen Fällen ,entfremdete' Mitglieder aufzuweisen" (156).<br />

37 Schrenck-Notzing, S. 167.<br />

38 So z. B. Scheuch, Aspekte, S. 20.

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