Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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332 Peter Römer<br />
würde, wenn es wirklich um die Gesamtexistenz ginge, wagt man<br />
sich kaum auszudenken. Die Schmittianer sind, auch als die Theorie<br />
von der Überfluß- und der nivellierten Mittelstandsgesellschaft in<br />
voller Blüte stand, dieser Harmonisierungsideologie nie aufgesessen,<br />
im Gegensatz zu manchen Linken. Ihre Entscheidung für den autoritären<br />
und gegebenenfalls auch den nationalsozialistischen Staat —<br />
dies muß man zugeben, gerade wenn man diese Entscheidung ablehnt<br />
— enthält jedenfalls mehr und exakte Beobachtung der gesellschaftlichen<br />
und politischen Wirklichkeit und mehr Folgerichtigkeit als die<br />
Mao-Zitatspielereien der studentischen APO angesichts der sich abzeichnenden<br />
Gefahr einer Weltbürgerkriegssituation. Die Arbeiter in<br />
der Bundesrepublik beweisen sehr viel richtigen Klasseninstinkt,<br />
wenn sie Versuche, ausgerechnet in der Bundesrepublik mit ihren<br />
Grenzen und ihrer Vergangenheit die Revolution als Happening zu<br />
veranstalten, gar nicht zur Kenntnis nehmen.<br />
Gegen die Forsthoffsche apokalyptische Vision der Möglichkeit<br />
eines Bürgerkrieges könnte allerdings eingewandt werden, eine solche<br />
Situation verlange den stärksten Einsatz staatlicher Machtmittel, von<br />
Polizei und Armee — damit werde aber die prognostizierte Einheit<br />
von Staat und Gesellschaft wieder aufgehoben und der Staat restauriert.<br />
Ein solcher Einwand kann nur wegen der Unklarheit des Staatsbegriffs<br />
erhoben werden 26 . Die funktionale Einheit von Staat und<br />
Gesellschaft im Kapitalismus bedeutet nicht die Auflösung der normativen<br />
Zwangsordnung — insoweit bleibt der Staat notwendigerweise<br />
erhalten —, bedeutet nicht die Aufhebung der Herrschaft über<br />
die Menschen und ihre Ersetzung durch die Verwaltung von Sachen<br />
und die Regelung von Produktionsabläufen; dies ist nur im Sozialismus<br />
möglich. Polizei, exekutive Gewalt verschwinden in der Einheit<br />
von Staat und Gesellschaft nicht. Gemeint ist vielmehr, daß der Staat<br />
in seinem „Gegensatz" zu Gesellschaft zu existieren aufhört, und<br />
zwar sowohl in seiner „wirklichen Realität", in seiner relativen und<br />
partiellen Verselbständigung gegenüber der Gesellschaft, als auch in<br />
seiner bloß scheinbaren Realität (die, wenn auch nur als Schein, dennoch<br />
im liberalen, noch nicht staatsmonopolistischen Kapitalismus<br />
wirksam war), in der er als Vertreter des Gemeinwohls und des<br />
Kollektivinteresses auftrat. Die Verschmelzung von Staat und Gesellschaft<br />
im Monopolkapitalismus bedeutet also nicht das Absterben des<br />
Staates, sondern die Übernahme des „staatlichen" Apparates und der<br />
„staatlichen" Aufgaben in die unmittelbare, eigene Regie der herrschenden<br />
Klasse. Der Staat ist dann nichts als der führende Teil der<br />
Privatwirtschaft selbst' 27 . Dann aber kann er seine frühere, teils reale,<br />
26 Einen guten Überblick über die Staatsbegriffe gibt noch immer<br />
Kelsen, Der soziologische und der juristische Staatsbegriff, Kritische<br />
Untersuchung des Verhältnisses von Staat und Recht, 2. Aufl. 1928.<br />
27 Vgl. zu dieser Rolle des Staates: Hofmann, Notstand der Demokratie,<br />
Referate, <strong>Diskussion</strong>sbeiträge und Materialien vom Kongreß am<br />
30. Oktober 1966 in Frankfurt am Main, Sammlung res novae, Bd. 34,<br />
S. 99 ff., insbes. S. 101, und ders., Die Krise des Staates und des Rechts,<br />
Kritische Justiz, H. 1, 1968, S. 1 ff.