Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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Philosophie 399<br />
klärung der Faszination, die diese autoritäre Staatstheorie stets dann<br />
auf die Forschung ausgeübt hat, wenn in den Parlamenten an die<br />
Stelle „friedlichen Interessenausgleichs" der Klassenkampf zu treten<br />
drohte: zumal die faschistischen Autoren der späten 20er und dér<br />
30er Jahre holten angesichts der Drohung des „nicht mehr" mit Vorliebe<br />
den Theoretiker aus der Versenkung, der das „noch nicht" des<br />
Kapitalismus, die Kämpfe am Beginn seines Siegeszuges mit dem Entwurf<br />
einer Staatskonstruktion beantwortet hatte, in der die Bedingungen<br />
für eine ungehindert sich entfaltende Kapitalakkumulation<br />
konsequent und alle möglichen Antagonismen umgreifend berücksichtigt<br />
zu sein schienen. Der Vorwurf der fehlenden Klassenanalyse,<br />
den MacPherson Hobbes macht, fällt so auf ihn selbst zurück: erst die<br />
Untersuchung der vorrevolutionären Situation und der einzelnen Stadien<br />
des revolutionären Prozesses selbst hätte eine stringente Historisierung<br />
der Hobbesschen Souveränitätslehre ermöglicht.<br />
Deren Konstruktionsprinzip freilich wird von MacPherson richtig<br />
als das Ableiten politischer Pflichten aus „Fakten" (gemeint ist Hobbes'<br />
„homo homini lupus "-Anthropologie) unter Berufung auf das<br />
Evidenzprinzip beschrieben. Die Sphäre des Gesellschaftlichen ist in<br />
dieser Theorie sozialer Herrschaft, die in einer Zeit größter gesellschaftlicher<br />
Umwälzungen entstand, nirgends ausdrücklich thematisiert.<br />
Sie kennt kein Moment von Bewegung; Bedürfnisse, Interessen,<br />
Produktion etc. sind für sie keine dem historischen Prozeß unterworfenen<br />
Größen. Der erste Punkt, an dem das Leben der dissoziierten<br />
Individuen als gesellschaftlich vermittel gedacht werden muß (und<br />
daß er bloß so gedacht werden muß, betont Hobbes ausdrücklich), ist<br />
derjenige, an dem mit der Anerkennung der abstrakten Autorität der<br />
Sprung aus dem Naturzustand in den des Staates vollzogen wird.<br />
Erst jetzt scheint Gesellschaft möglich. In diesem Denkbild des Naturzustandes,<br />
in dem auch MacPherson das Modell einer Gesellschaft<br />
(eben der „Eigentumsmarktgesellschaft") entdeckt, sind mit der Abstraktion<br />
von aller gesellschaftlichen Vermittlung quasi labormäßig<br />
reine Bedingungen angestrebt, unter denen dann der Mensch als derjenige<br />
sichtbar wird, als den ihn Hobbes in seiner Anthropologie<br />
zeigt, um anschließend aus der „Natur des Menschen" eine Theorie<br />
abstrakt funktionaler Herrschaft zu deduzieren, die sich den Anschein<br />
des wahren Allgemeinen zu geben vermag. Weit entfernt davon, in<br />
dieser Strategie des Eskamotierens von Gesellschaft, die man als einen<br />
Versuch, Produktion ohne Produktionsverhältnisse zu denken, charakterisieren<br />
kann, einen Index des Klasencharakters solchen Denkens<br />
zu erkennen, läßt sich MacPherson in seinen abschließenden<br />
Ausführungen über „eine autonome Theorie der politischen Pflichten"<br />
offenbar die eigene Problemstellung und -lösung von Hobbes<br />
diktieren: Voraussetzung für dessen Deduktion absoluter Herrschaft<br />
bildet negative Egalität, die sich, unter Abstraktion von der jeweiligen<br />
Klassenzugehörigkeit, in der Furcht aller vor dem Tode äußerte.<br />
Indem MacPherson die konkreten Erscheinungsweisen des allgemeinen<br />
Widerspruchs von Lohnarbeit und Kapital sowie die Interessenantagonismen<br />
der einzelnen Kapitalfraktionen übergeht, behauptet