Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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440 Besprechungen<br />
immer er auftaucht, ist Mißtrauen am Platz. Meist überdeckt er in<br />
begrifflicher Scheinpräzision eine diffuse Unsicherheit und Unverbindlichkeit"<br />
(43). Dem hält Haug entgegen, daß „nur die Benennung<br />
der Mechanismen und Interessen sozialer Herrschaft die adäquate<br />
Antwort gibt auf das Problem" (43), eine Benennung, die die herrschaftstechnische<br />
Funktionalität der faschistischen Ideologie in ihrer<br />
Widersprüchlichkeit enträtseln würde, statt <strong>Faschismus</strong> an der angeblichen<br />
Irrationalität seiner Ideologie zu messen. Kein theoretisches<br />
Gegenstück will der Autor zum <strong>Faschismus</strong>, sondern an die in ihm<br />
angelegten Widersprüche anknüpfen. Überhaupt ist der Autor mit<br />
,positiven' Ideen sparsam. Die Üntersuchung insgesamt ist als ein<br />
theoretisches ,Wegen Umbau geschlossen' zu charakterisieren; eine<br />
Theorie, geschweige denn eine Definition des <strong>Faschismus</strong> will sie nicht<br />
präsentieren, ohne zuvor die Überreste der älteren abgebaut zu haben.<br />
Die Funktion auch dieses Abbaus mag die des pädagogischen Effekts<br />
der Schrift gewesen sein: sie schafft den geschiehtsästhetischen Wahn<br />
aus der Welt, „ein Führer sei plötzlich erschienen und habe mit einer<br />
Handvoll .Rabauken' ohne Mitwirkung von Interessierten und ohne<br />
sogenannten gruppenspezifischen, also klassenmäßigen Nutzeffekt<br />
ein ganzes Volk samt Finanzkapital und Schwerindustrie unterjocht"<br />
— um eine Formulierung von Agnoli zu verwenden, die die abgegriffene<br />
Romantik einer wahnhaften <strong>Faschismus</strong>-Auffassung kritisiert.<br />
Der Abbau dieses vielgestaltigen Wahns setzt eine neue, noch zu entwickelnde<br />
materialistische Gegentheorie erst frei. Im Insistieren auf<br />
die bei den kritisierten Professoren als entscheidend gewertete „Unfähigkeit,<br />
das Interessenfundament sozialer Kämpfe zu erkennen"<br />
(40), die Unfähigkeit, „gesellschaftliche Vorgänge als solche zu analysieren"<br />
(63), „die beteiligten Begriffe in der Sprache sozialer Interessen<br />
und Interessenkonflikte zum Sprechen zu bringen" (65), „gesellschaftliche<br />
Prozesse wissenschaftlich wahrzunehmen" (87), sichert<br />
Haug den Rahmen für die bessere Einsicht ab. Quer durch ein dichtgewobenes<br />
Zitaten-Netz weisen viele Sätze des Büchleins den Weg<br />
dorthin, die, herausgelöst, einen Katalog materialistischer Sprüche<br />
ergeben würden, der faschistoide Dispositionen energisch durchbricht.<br />
Eine Definition enthalten sie negativ: „Der Geist des <strong>Faschismus</strong> war<br />
nicht der einzige Geist der Zeit" (86) — den anderen — antifaschistischen<br />
— versuchte Haugs Analyse zu retten, keineswegs als bloßen<br />
positiven Wert, sondern als Geist, der die konkreten Interessen der<br />
Arbeiterklasse decken möchte. Dies hätte die damalige Geisteswissenschaft<br />
als Blamage gewertet, reduzierte sie sich doch „auf die Produktion<br />
und Einübung von Abwehrhaltungen gegen Materialismus, Aufklärung,<br />
Demokratie und zumal gegen Arbeiterbewegung und Sozialismus"<br />
(47), während umgekehrt gerade das Bündnis der Ideen mit<br />
derart konkreten Interessen die einzige Chance ist für die Intelligenz,<br />
sich nicht zu blamieren. Ihn variierend, zitiert Haug einen Satz von<br />
Marx, der den Punkt trifft: „Die Ideen blamieren sich (...) in der<br />
Geschichte überall dort mit Notwendigkeit, wo nicht kräftige soziale<br />
Interessen sich in ihnen ausdrücken" (106). Dem in ihrer Ideenproduktion<br />
auszuweichen, stempelt die Mehrzahl der kritisierten Vorlesungen