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Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...

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Vom totalen Staat zur totalen bürgerlichen Gesellschaft ' 329<br />

fung des Konkurrenz- und Marktprinzips, umfassende Planung und<br />

Formierung allen menschlichen Handelns und aller menschlichen Bedürfnisse<br />

entsprechend den Verwertungszwängen des Monopolkapitals<br />

sind die wesentlichen Kennzeichen dieses neuen Systems. Die Vertreter<br />

der Dimitroffschen <strong>Faschismus</strong>interpretation haben verständlicherweise<br />

keine Bedenken, auch unter den Bedingungen des staatsmonopolistischen<br />

Kapitalismus, wenn weitere Voraussetzungen hinzukommen,<br />

einen neuen <strong>Faschismus</strong> für denkbar und für möglich zu<br />

halten. Dies ist folgerichtig, wenn im Nationalsozialismus die offene<br />

Diktatur des Finanzkapitals erblickt und im staatsmonopolistischen<br />

Kapitalismus in Westdeutschland nur die Fortsetzung einer Entwicklung<br />

gesehen wird, die 1919 begann und im Nationalsozialismus bereits<br />

eine entscheidende Verstärkung erfuhr 22 .<br />

Die Verschmelzung von Staat und Gesellschaft muß hingegen denjenigen,<br />

die im <strong>Faschismus</strong> eine partielle Verselbständigung der<br />

Staatsgewalt sehen, diesen als historisches Zwischenspiel erscheinen<br />

lassen, dessen Ursache die Unfähigkeit des Großbürgertums zur politischen<br />

Herrschaft war. Die Fähigkeit der Selbststeuerung dieses<br />

kapitalistischen Systems — vor allem durch Vergeudungs- und Rüstungswirtschaft<br />

— und zur Manipulierung der seinen sublimen<br />

Zwängen unterworfenen Menschen wird als derart groß angesehen,<br />

daß jede Veränderung sowohl in Richtung auf den <strong>Faschismus</strong> als<br />

auch in Richtung auf sozialistische Gesellschaftsformen als utopisch<br />

erscheint.<br />

Ob es dem Kapitalismus gelungen ist oder es ihm gelingen wird,<br />

seine Grundwidersprüche zu überwinden, ob insbesondere in der<br />

BRD die funktionale Einheit von Staat und Gesellschaft soweit verwirklicht<br />

und stabilisiert ist, daß eine erneute Verselbständigung der<br />

Staatsgewalt ausgeschlossen ist, kann hier nicht weiter untersucht<br />

werden; ist aber füglich zu bezweifeln. Völlig unbestritten ist' aber<br />

von rechts bis links, daß die Tendenz zur Bildung einer funktionalen<br />

Einheit von Staat und Gesellschaft besteht; fraglich ist nur, in welchem<br />

Maße diese funktionale Einheit in der BRD bereits verwirklicht<br />

ist. Forsthoff jedenfalls spricht ausdrücklich und mit Recht nur von<br />

einer tendenziellen Entwicklung zur Technostruktur, die erst in den<br />

USA ein höheres Maß an Reife erreicht habe. Die Besonderheit seiner<br />

Position ist in der Tatsache zu erblicken, daß er (vorausgesetzt, die<br />

prognostizierte Entwicklung zur funktionalen Einheit von Staat und<br />

Gesellschaft werde eintreten bzw. sich verstärken) keineswegs die<br />

Ansicht Marcuses und seiner Anhänger teilt, dieses neue System sei<br />

endgültig selbststabilisiert und könne nur noch von außen oder von<br />

Randgruppen in Frage gestellt werden. Forsthoff gehört also weder<br />

uneingeschränkt zu den Ideologen der nivellierten Mittelstandsgesellschaft,<br />

noch überträgt er vereinfachend Erfahrungen und Begriffe<br />

aus der Weimarer Republik auf die Verhältnisse in der BRD und<br />

deren voraussichtliche Entwicklung.<br />

22 Vgl. Czichon, Das Argument 47, S. 171.

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