Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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Vom totalen Staat zur totalen bürgerlichen Gesellschaft ' 325<br />
retikern der „Linken", der sogenannten APO, erarbeitet worden sind.<br />
In zunehmendem Maße neigt — zumindest die studentische — APO<br />
nämlich dazu, sich in ihren <strong>Diskussion</strong>en abzukapseln; was sich nicht<br />
zuletzt in der Bildung einer eigenen, für Außenstehende oft nur noch<br />
schwer verständlichen Terminologie zeigt. Damit nimmt man sich<br />
nicht nur die Möglichkeit, den wissenschaftlichen Grundsatzopponenten<br />
im Detail zu widerlegen, die soziale Funktion seiner Position aufzuzeigen,<br />
man verkennt auch, daß die führenden Theoretiker des Establishments,<br />
außer einer ideologischen und herrschaftsrechtfertigenden<br />
Funktion auch die weitere haben, der Selbstverständigung der Herrschenden<br />
zu dienen und ihnen Orientierungshilfen zu liefern. Diese<br />
zweite Funktion läßt sich aber nur erfüllen, wenn die gesellschaftliche<br />
Realität und ihre Entwicklungstendenzen — zumindest partiell —<br />
zutreffend beschrieben werden. Daß aber gerade Carl Schmitt und<br />
seine Anhänger einen recht beachtlichen Spürsinn für künftige Entwicklungen<br />
gezeigt haben, läßt sich schwerlich bestreiten.<br />
<strong>Faschismus</strong> und NPD<br />
Es ist eine auf den ersten Blick verblüffende Tatsache, daß Forsthoff<br />
in seinem Aufsatz von 1968 mit keinem Wort explizit auf die<br />
NPD eingeht; seine Beschreibung der Bundesrepublik scheint hier<br />
eine Leerfläche zu haben. Es liegt nahe, in der eigenen nationalsozialistischen<br />
Vergangenheit Forsthoffs und ihrer „Bewältigung" die Ursache<br />
dafür zu sehen, daß dies offensichtlich wesentliche innenpolitische<br />
Problem nicht behandelt worden ist. Eine solche Vermutung ist<br />
jedoch in doppelter Hinsicht unzutreffend. Zum einen hat sich Forsthoff<br />
keineswegs geniert, den Nationalsozialismus auch nachträglich<br />
noch in einem gewissen Maße zu rechtfertigen, indem er in seiner<br />
Schrift „Rechtsfragen der leistenden Verwaltung" erklärte, der Staat<br />
sei in der Weimarer Republik in der Gefahr gewesen, dem gesellschaftlichen<br />
Pluralismus zum Opfer zu fallen, und habe sich dagegen<br />
— für diese Zeit folgerichtig — durch autoritäre und totalitäre Ausweitungen<br />
zu schützen versucht 6 . Zum anderen ergibt sich aus seinen<br />
Ausführungen über die neue Technostruktur und die tendenzielle<br />
Verschmelzung von Staat und Gesellschaft implizit, daß er einen<br />
neuen <strong>Faschismus</strong> nicht für wahrscheinlich hält. Sowohl aus dem<br />
vorstehenden Zitat als auch aus seiner Schrift über den totalen Staat<br />
geht klar hervor, daß für Forsthoff von <strong>Faschismus</strong> nur gesprochen<br />
werden kann, wenn ein starker, autoritärer Staat besteht, der, wenn<br />
ihm auch die Tendenz zum totalen, auch die Bereiche der Wirtschaft<br />
umfassenden Staat innewohnt, dennoch von der Gesellschaft geschieden<br />
bleibt. „Aber gerade diejenigen Bezirke, die erst jetzt neu in die<br />
Obhut des nunmehr totalen Staates genommen worden sind, wie die<br />
Wirtschaft und die Kultur, dürften durchweg für eine bürokratische<br />
Leitung nicht geeignet sein" 7 . In sie kann also der Staat allenfalls<br />
6 Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, 1959, res publica<br />
Bd. 1, S. 14.<br />
7 Forsthoff, Der totale Staat, S. 35.