Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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Soziale Bewegung und Politik 463<br />
eine Elite (10). Die Barmer Erklärung aus dem Jahr 1934, die übrigens<br />
im Entwurf Karl Barth alleine schrieb (vgl. 15), sei „zum theologischen<br />
Rettungsanker in der stürmischen See" geworden (104).<br />
Das Widerstandszeugnis weniger Kirchenmänner habe die Kirchen<br />
vor dem gänzlichen Abfall bewahrt (194). Conway interessiert sich<br />
nicht für Widerstandskämpfer aus den untersten Schichten der<br />
Kirchen. „Ihr (Bonhoeffers und Delps, HGH) Schicksal und das vieler<br />
anderer Christen, die nach dem 20. Juli 1944 hingerichtet worden<br />
sind, ist ein stichhaltiger Beweis für die unversöhnliche Feindschaft<br />
des NS gegen die Kirchen" (304). Das genügt Conway. Seine Apologetik<br />
findet ihre Unterstützung in der Ideologie der herrschenden<br />
Klasse. Der Tod der Soldaten im Ersten Weltkrieg war ein „tragisches<br />
Opfer" (26). Dann kam mit Hitler genau der Richtige: „Als nun<br />
Adolf Hitler in Deutschland mit einem Programm und Versprechungen<br />
auftrat, die darauf ausgerichtet waren, bei den Gescheiterten und<br />
Entmutigten Anklang zu finden, war die Zeit reif dafür, ihm Vertrauen<br />
zu schenken ..." (27). Aber mehr als die Hälfte des deutschen<br />
Volkes war anderer Meinung als Conway. Nur gibt es für ihn keine<br />
Bedürfnisse und Hoffnungen auf der Linken. Es versteht sich, daß<br />
der NS durch und durch revolutionär war (41, 47, 51, 62, 110, 122, 136<br />
usw.). Seine Kirchenpolitik habe die Hebertisten, den militant-atheistischen<br />
Flügel der französischen Jakobiner, zum Vorbild gehabt<br />
(344 f.). Durch keine Quelle ist diese Theorie zu stützen. Jakobinermütze<br />
gleich Braunhemd, so hat mans gerne bei der herrschenden<br />
Klasse. — Weiter wollte Hitler die alte Gesellschaftsordnung stürzen,<br />
die freilich ohne ökonomische Fundierung gewesen zu sein<br />
scheint. Hitler war getrieben von Machthunger (61, 89, 118) und<br />
schuf eine neue deutsche Volksgemeinschaft (87), die in den Nationalsozialisten<br />
Vorkämpfer eines neuen weltanschaulichen Machtfaktors<br />
in der europäischen Kultur gehabt hätte (160). Hitler sei vergöttlicht<br />
worden (161), der NS eine Ersatzreligion, ein Götzendienst usw.; nur<br />
sei die NS-Führung zu echter Hingabe an Hitler nicht fähig gewesen<br />
(166).<br />
Conways Buch ist dünnpfiffig. Eine historische Arbeit kann man<br />
dieses Theologisieren nicht nennen. Selbst die Darstellung der NS-<br />
Weltanschauung (161—176) ist untauglich. Es fehlen Quellen- und<br />
Literaturverzeichnis. Der Abdruck von bisher unveröffentlichten Dokumenten<br />
(364—379) verbessert dieses Buch kaum.<br />
Hellmut G. Haasis (Tübingen)<br />
Deschner, Karlheinz: Kirche und <strong>Faschismus</strong>. Jugenddienst-<br />
Verlag, Wuppertal 1968 (94 S., brosch., 6,80 DM).<br />
Der Titel der Broschüre — es handelt sich um eine Kurzfassung<br />
von Deschners „Mit Gott und den Faschisten" (Stuttgart 1965; dort<br />
mit Quellenverweisen) — müßte eher „Vatikan und <strong>Faschismus</strong>" lauten,<br />
denn von der protestantischen Kirche erfährt man fast nichts.<br />
Die Arbeit bietet viel Material, vor allem Zitate, die die vatikanische