Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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Soziale Bewegung und Politik 469<br />
untersuchen. Daß dieser kein historisch erledigtes Phänomen sein<br />
muß, erhellt aus der noch nicht erfolgten Überwindung hochgradiger<br />
Irrationalität von ökonomischer Basis und spezifischen Ideologien,<br />
hier am Beispiel der Militärdoktrin widergespiegelt. F.'s Schluß<br />
allerdings, wonach die <strong>Theorien</strong> vom totalen und Blitzkrieg die geschichtliche<br />
Perspektivlosigkeit des deutschen Imperialismus offenbart<br />
hätten (210, 213) scheint in der theoretischen Behandlung des<br />
Materials nicht so zwingend wie aufgrund der Betrachtung im Nachhinein.<br />
Michael-Viktor Graf Westarp (Berlin)<br />
Jahnke, Karl-Heinz: Weiße Rose contra Hakenkreuz. Der<br />
Widerstand der Geschwister Scholl und ihrer Freunde. Röderberg-<br />
Verlag, Frankfurt/M. 1969 (96 S., brosch., 3,— DM).<br />
Obwohl es schon zahlreiche Darstellungen über den antifaschistischen<br />
Widerstand der Münchner Studenten gibt, ist diese neue Darstellung<br />
besonders zu empfehlen. Sie informiert knapp und präzis<br />
über die bisherigen Forschungsergebnisse, wertet aber auch bisher<br />
unbekannte Gerichtsakten aus und bietet eine Wirkungsgeschichte<br />
der Gruppe (55—67). Im Anhang wird ein Flugblatt des Nationalkomitees<br />
Freies Deutschland erstmals veröffentlicht, das zur Ermordung<br />
der Münchner Studenten Stellung nimmt (86—89).<br />
Jahnke, Historiker an der Universitäts Greifswald, vertuscht im<br />
Gegensatz zur bürgerlichen Geschichtswissenschaft (z. B. Rothfels,<br />
Ritter) die Widersprüche in der Gruppe und die allmähliche Radikalisierung<br />
nicht. So wollte Prof. Huber im letzten Flugblatt u. a. folgende<br />
Sätze verbreiten: „Studenten, Studentinnen. Ihr habt Euch der<br />
deutschen Wehrmacht an der Front und in der Etappe, vor dem<br />
Feind, in der Verwundetenhilfe, aber auch im Laboratorium und am<br />
Arbeitsplatz restlos zur Verfügung gestellt. Es kann für uns alle kein<br />
anderes Ziel geben als die Vernichtung des russischen Bolschewismus<br />
in jeder Form. Stellt Euch weiterhin geschlossen in die Reihen unserer<br />
herrlichen Wehrmacht" (50). Hans Scholl strich diesen Abschnitt.<br />
Sowohl der Werdegang jedes einzelnen Widerstandskämpfers als<br />
auch die Entwicklung der ganzen Gruppe werden nur durch die Korrelation<br />
mit der politischen Entwicklung verständlich. Zu Recht betont<br />
Jahnke, daß die Erfahrungen des Krieges in Rußland und Gespräche<br />
mit Hitlergegnern in den Studenten den Entschluß zum aktiven<br />
Widerstand heranreifen ließen (21). Hier liegt der Grund für die<br />
Aufrufe zum Handeln und für das Überschreiten der rein humanistischen<br />
Kritik. Solange aber die Rußland-Erfahrungen entpolitisiert<br />
werden, wie es in der bürgerlichen Forschung geschieht, erscheint die<br />
Radikalisierung als nur. irrational und so der bürgerlichen Humanitätsideologie<br />
angepaßt. Die Schlacht von Stalingrad und öffentliche<br />
Angriffe der SS auf Münchner Studenten schlug sich in verschärfter<br />
Erkenntnis nieder, wie Flugblätter vom Januar 1943 zeigen:<br />
„Glaubt nicht der nationalsozialistischen Propaganda, die Euch den<br />
Bolschewistenschreck in die Glieder gejagt hat." Die Gruppe äußerte