Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
- Keine Tags gefunden...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Soziale Bewegung und Politik 459<br />
„eine ausreichende Sachkenntnis und fundierte Unterlagen fehlten"<br />
(<strong>VI</strong>II). Damit aber wird Objektiv von vornherein auf die Lösung des<br />
Problems der Willensbildung verzichtet und auch die Strukturuntersuchung<br />
in ihrer Zielstellung wesentlich eingeschränkt.<br />
Das nationalsozialistische Machtsystem ist eine hochgradig formierte<br />
und staatsmonopolistisch strukturierte Gesellschaft, in der<br />
nicht nur das Monopolkapital mit dem Staat engmaschig verflochten<br />
ist, sondern wo sich die Exekutivorgane des Staates gegenüber der<br />
Legislative verselbständigen und es dabei zu einer engen Verflechtung<br />
zwischen Großindustrie, faschistischer Partei und diesen Exekutivorganen<br />
kommt. Um diese komplizierte Struktur und ihre<br />
Funktion und dazu noch in den einzelnen Entwicklungsetappen ihrer<br />
Herausbildung zu verstehen, kann sie in ihrer jeweiligen historischen<br />
Situation nur komplex analysiert werden. Doch Diehl-Thiele konnte<br />
sich zu einer derartigen historischen Analyse nicht durchringen. Er<br />
geht von der Totalitarismus-Doktrin Buchheims aus (27 f.) und findet<br />
so mit seiner Konzeption nicht den Ansatz der eigentlichen Tiefenproblem-Stellung.<br />
Damit liefert das Buch nur in Detailuntersuchungen<br />
bemerkenswerte Ergebnisse, ohne jedoch diese ausnutzen zu<br />
können, um zu einer fundierten Machtanalyse des Nationalsozialismus<br />
vorzudringen. Das ist eigentlich sehr zu bedauern, da sich der<br />
Autor durchaus als Sachkenner der Materie auszuweisen vermag.<br />
Die nationalsozialistische Partei, die durch einen Kompromiß beider<br />
Hauptmonopolgruppen Schwer- und Chemieindustrie und infolge -<br />
der Schwäche der demokratischen Kräfte die politische Macht in<br />
Deutschland übernehmen konnte, vermochte den Rivalitätskampf<br />
zwischen den beiden großindustriellen Konzeptionen und Machtgruppierungen<br />
niemals zu egalisieren. Bei der nach 1933 rasch zunehmenden<br />
Verflechtung von Großindustrie, Staat und Partei kam<br />
diese Rivalität bald zum Ausbruch. Da aber Diehl-Thiele diesen gesellschaftlich<br />
tragenden Hintergrund nicht zu erkennen vermochte,<br />
blieb ihm die ganze Strukturdynamik zwischen Partei und Staat und<br />
ihre jeweilige Gewichtung im Gesamtherrschaftssystem unverständlich.<br />
Er mußte das ganze Problem aufgrund seiner Totalitarismus-<br />
Konzeption statisch sehen und als einen Machtkampf zwischen Partei<br />
und Staat deuten. Damit aber reduziert er den ganzen vielschichtigen<br />
Prozeß auf einige vordergründige Erscheinungen und verschiebt damit<br />
die ganze Problematik der inneren Machtstruktur. Infolgedessen<br />
vermag der Autor einige dieser Tiefenstruktur-Probleme und Machtkämpfe<br />
auch gar nicht zu erkennen. Unbeantwortet muß daher bleiben,<br />
warum sich bestimmte Rivalitäten entwickelten und welche<br />
Auswirkungen sie hatten, sowohl in der Willensbildung als auch in<br />
der ihr dienenden Machtstruktur. Da überhaupt nicht angedeutet<br />
wird, daß es zwischen den beiden stärksten Gruppen der Industrie<br />
einen Rivalitätskampf um die Führung in der Gesellschaft gab, der<br />
1934 erst zugunsten der Schwerindustrie, 1936 schließlich zugunsten<br />
der Chemieindustrie entschieden wurde, bleiben die einzelnen Kapitel,<br />
so materialreich sie auch sind, ohne inneren Zusammenhang.<br />
Selbst in den einzelnen Kapiteln, wo Diehl-Thiele Hitlers Taktik und