Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
- Keine Tags gefunden...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
328 Peter Römer<br />
suchte relative Selbständigkeit des politischen, staatlichen und rechtlichen<br />
Uberbaus und seiner Rückwirkungen auf die ökonomische<br />
Basis in Abrede zu stellen. Dies muß bei der Erklärung des Nationalsozialismus<br />
schon deshalb zu fehlerhaften Ergebnissen führen, weil<br />
das deutsche Kapital sich diese Form der politischen Herrschaft keineswegs<br />
freiwillig, sondern durch seine geschichtliche Lage in der<br />
Krise gezwungenermaßen und in Abwehr gegen den Sozialismus gewählt<br />
hat 18 . Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, daß Forsthoff<br />
sich über das Verhältnis von faschistischem Staatsapparat und Industrie<br />
wohlweislich ausschweigt; anderes von ihm zu erwarten, wäre<br />
abwegig. Und dennoch ist sein Standpunkt für die Gegenwart höchst<br />
interessant und aufschlußreich, weil er an die Selbststabilisierung<br />
des Systems nicht recht zu glauben vermag und deshalb den Verlust<br />
der Staatlichkeit und der Legalität beklagt, „der auf den Abbau der<br />
Schutzdämme gegen den Bürgerkrieg" 18 hinauslaufe. Der offene<br />
Bürgerkrieg, nicht der <strong>Faschismus</strong>, ist ihm die Gefahr, falls das<br />
System in dem Staat und Gesellschaft verschmolzen sind, in eine<br />
Krise geraten sollte.<br />
Die unterschiedliche Beurteilung des Entscheidungsspielraumes und<br />
der Verselbständigung der Exekutive im Nationalsozialismus durch<br />
die nichtbürgerlichen, auf Marx sich berufenden <strong>Faschismus</strong>-Theoretiker<br />
hat zu einer grundsätzlich verschiedenen Einschätzung der Gefahr<br />
eines neuen <strong>Faschismus</strong> in der Bundesrepublik, insbesondere also<br />
der Chancen der NPD, und zu einer unterschiedlichen Beurteilung<br />
der Möglichkeit einer Fundamentalopposition geführt 20 . Gemeinsamer<br />
Ausgangspunkt ist die Veränderung im kapitalistischen System, die<br />
von den Theoretikern in der DDR als das System des staatsmonopolistischen<br />
Kapitalismus beschrieben 21 und von Forsthoff und anderen<br />
bürgerlichen Autoren unter den Begriff der neuen Technostruktur<br />
gefaßt wird. Ungeheure Konzentration in der Wirtschaft, Abschaf-<br />
18 Vgl. zum Ganzen mit weiteren Nachweisen neuestens: Bracher, Die<br />
deutsche Diktatur, Entstehung, Struktur, Folgen des Nationalsozialismus,<br />
Studienbibliothek, 1969. Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei betont,<br />
daß keineswegs beabsichtigt ist, den Begriff des <strong>Faschismus</strong> zu bestimmen;<br />
lediglich ein Merkmal, die partielle Verselbständigung der Staatsgewalt,<br />
ist als dem <strong>Faschismus</strong> wesentlich herausgestellt worden, weil dies<br />
im hier behandelten Kontext (dem sich verändernden Verhältnis von Staat<br />
und Gesellschaft) bedeutsam ist — und damit zugleich für jede politologische<br />
Analyse, die das <strong>Faschismus</strong>problem nicht nur mit den in der Weimarer<br />
Republik entwickelten Kategorien analysieren will.<br />
19 Forsthoff, Der introvertierte Rechtsstaat und seine Verortung, in:<br />
Rechtsstaat im Wandel, S. 213 ff., S. 226.<br />
20 Vgl. die Schlußbemerkungen von Czichon, Das Argument 47, S. 191 f.,<br />
und Mason, Primat der Industrie — ? — Eine Erwiderung, Das Argument<br />
47, S. 193 ff., S. 209.<br />
21 Vgl. Hemberger, Maier, Petrak, Reinhold, Schwank (Autorenkollektiv),<br />
Imperialismus heute, Der staatsmonopolistische Kapitalismus in Westdeutschland,<br />
4. Aufl. 1967.