Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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300 Richard Saage<br />
Methoden zu vernichten trachtet, stets aber im undurchbrechbaren<br />
Rahmen nationaler Selbstbehauptung und Autonomie" (a 51), dann<br />
stellt sich die Frage, was beispielsweise Marxismus bzw. Antimarxismus<br />
heißt. Auch ist Nolte darin zuzustimmen, daß er in der Typologie<br />
eine gedankliche Konstruktion sieht, die sich dem Vergleich einzelner<br />
Faschismen verdankt, indem deren häufig hervortretende Merkmale<br />
zusammengetragen und zu einem Schema verdichtet werden, auf das<br />
hin das Material dann zu sichten und zu beziehen ist. Es wird somit<br />
mehr von außen eine Struktur dem Material dekretiert, als daß diese<br />
aus ihm selbst hervorginge. Leider bleibt für Nolte diese <strong>kritische</strong><br />
Einsicht nur verbal. Zwar will er die Typologie „aufheben", d. h. partiell<br />
negieren und zugleich teilweise konservieren 5 . Daß es aber nur<br />
zu einer „schlechten" Aufhebung kommt, wird spätestens dann klar,<br />
wenn man sich die Kriterien vor Augen führt, nach denen Nolte in<br />
seinem Buch „Die faschistischen Bewegungen" diese zu differenzieren<br />
sucht: „Als faschistisch werden ....... alle Parteien, Bewegungen und<br />
Tendenzen bezeichnet, die offenkundig weiter rechts stehen, d. h. vor<br />
allem auf radikalere Weise antikommunistisch sind als die aus der<br />
Zeit vor dem Weltkrieg bekannten rechtsgerichteten Parteien, die<br />
jedoch zugleich in sehr viel stärkerem Maße linke Elemente in sich<br />
enthalten als diese. Ganz pragmatisch und äußerlich sind sie in ihrer<br />
Vorliebe für Uniformen, ihrer Neigung zum Führerprinzip und ihrer<br />
unverhüllten Sympathie für Mussolini und Hitler bzw. für beide zu<br />
erkennen. Wenn nur einzelne dieser Kennzeichen deutlich ausgeprägt<br />
sind, darf nur von Philofaschismus oder Halbfaschismus gesprochen<br />
werden, wo bei einer Partei mit andersartigen Wurzeln ein einzelnes<br />
dieser Momente stark hervortritt (z. B. das Prinzip der bewaffneten<br />
Parteiarmee), ist unter Umständen die Bezeichnung Pseudofaschismus<br />
angebracht. Wo alle wesentlichen Momente nur in Ansätzen vorhanden<br />
sind, empfiehlt sich der Terminus Protofaschismus. Es ließe sich<br />
mithin ... ein Weg vom Proto- und Halbfaschismus über den in verschiedenen<br />
Stufen vollausgebildeten <strong>Faschismus</strong> zu einem lauwarmen<br />
Philofaschismus verstehen" (b 190). Wohin ein so strukturiertes Kategoriensystem<br />
führt, ist evident: Je spitzfindiger und differenzierter<br />
zwischen Proto-, Halb-, Voll- und Philofaschismus distinguiert wird,<br />
desto mehr tritt das Spezifische in den Hintergrund: die Funktion<br />
nämlich, die der <strong>Faschismus</strong> für die Konsolidierung der Klassenstruktur<br />
in den verschiedenen Ländern ausgeübt hat und das Aufzeigen<br />
der unterschiedlichen Mittel, derer er sich auf Grund der verschiedenen<br />
ökonomischen und politischen Entwicklungsstadien der einzelnen<br />
Länder bedienen mußte. Es impliziert objektiv eine verschleiernde<br />
Akzentverschiebung, wenn Nolte auf Grund seiner formalen Krite-<br />
5 Um einem Mißverständnis vorzubeugen, sollte festgestellt werden,<br />
daß selbstverständlich gegen eine Typologie, wie Nolte sie entwickelt hat,<br />
nichts einzuwenden ist, wenn sie zur vorläufigen Sichtung des Materials<br />
dient. Diese „Vorläufigkeit" wird von Nolte auch angedeutet, aber zur<br />
Einlösung des Versprechens kommt es nicht. Nur dagegen richtet sich die<br />
Kritik.