Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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Bemerkungen zur <strong>Faschismus</strong>interpretation Ernst Noltes 303<br />
Gaskammern. Wer sich nur auf die Bilder dieses Buches verlassen<br />
wollte, erhielte gerade wegen ihrer Anschaulichkeit einen unzureichenden<br />
Eindruck. Daher ist dieser Bildband trotz aller Selbstständigkeit<br />
doch wiederum nur ein Teil einer Phänomenologie des <strong>Faschismus</strong>'<br />
in vier Bänden, und nur in deren Gesamtheit kann die<br />
Entfaltung der Frage nach dem <strong>Faschismus</strong> und der Versuch einer<br />
Antwort gefunden werden" (d 403). Indem jedoch die von Nolte veröffentlichten<br />
und interpretierten Dokumente den gesamtgesellschaftlichen<br />
Rahmen, innerhalb dessen der <strong>Faschismus</strong> fungierte, gerade<br />
nicht sichtbar machen und in den anderen Teilen des Gesamtwerkes<br />
dieser Bezugsrahmen eher verwischt wird, wirkt das fotografische<br />
Material tendenziell doch affirmativ. Eine <strong>kritische</strong> Funktion hätte es<br />
nur ausüben können, wenn nicht nur das untersucht worden wäre,<br />
was die einzelnen Faschismen subjektiv wollten und wie sie sich „sinnenfällig"<br />
(Klappentext) entfalteten, sondern vor allem, was sie objektiv<br />
für die Erhaltung bzw. „Modernisierung" der bürgerlichen Gesellschaft<br />
bewirkten. Daß die Faschisten beispielsweise politische <strong>Institut</strong>ionen<br />
des Bürgertums zerstörten, ist evident. Ebensowenig kann<br />
bestritten werden, daß sich die durch das fotografische Material reproduzierten<br />
sinnlichen Eindrücke der Faschismen kaum mit „bürgerlichen"<br />
Verhaltensweisen vereinbaren lassen. Aber legitimiert das<br />
den Schluß, sie stünden im absoluten Gegensatz zum Bürgertum?<br />
Schließlich gibt es einerseits Veränderungen auf dem Gebiet der<br />
politischen <strong>Institut</strong>ionen, die aufs Ganze gesehen für die Struktur<br />
der Gesellschaft eher konservierend wirken, wie andererseits Differenzen<br />
im sinnlichen Erscheinungsbild bestehen können, die sich als<br />
bloße Epiphänomene erweisen. Nicht zuletzt sollte aber darauf hingewiesen<br />
werden, daß die phänomenologische Methode den wichtigen<br />
instrumentellen Aspekt des Verhältnisses der Faschisten zu ihrer<br />
Ideologie wenig oder gar nicht beachten kann. Gezwungen, diese als<br />
politisch-geistige Bewußtseinslandschaft sich gleichsam selbst malen<br />
zu lassen, entzieht sich ihr jener Zynismus, der Ideologie skrupellos<br />
zur Manipulation verwandte. So gerät Nolte mindestens partiell in die<br />
Gefahr, den <strong>Faschismus</strong> als Ideologie ernster zu nehmen als dieser es<br />
je getan hat 8 .<br />
Vollends problematisch wird es jedoch, wenn Nolte mit Hilfe der<br />
philosophischen Methode den <strong>Faschismus</strong> als transpolitisches Phänomen<br />
zu fassen sucht. Diese Methode soll „zum unsichtbaren Fundament<br />
des Gebäudes vordringen" (a 516), nicht zuletzt deswegen, weil<br />
„die Politik selbst nichts Politisches mehr ist und als solche nur vor<br />
einer Folie manifest werden kann, die anderer Natur ist als sie"<br />
(a 516). Damit projiziert Nolte den <strong>Faschismus</strong> in einen Bereich außerhalb<br />
der politisch-sozialen Realität, deutet ihn als eine Erscheinung,<br />
„die in ihrem Kern zum ,menschlichen Wesen' eine gleichsam reichs-<br />
8 Vgl.: Max Horkheimer, Theodor W. Adorno: Soziologische Exkurse,<br />
Frankfurter Beiträge zur Soziologie, Band 4, Frankfurt 1956, S. 162—181.<br />
Auf die Bedeutung des instrumenteilen Charakters der nationalsozialistischen<br />
Ideologie weist auch hin: Urs. Müller-Plantenberg, a.a.O., S. 147.