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Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...

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422 Besprechungen<br />

gressivität liefert ihnen die Waffen, die sie um so hemmungsloser —<br />

von der Kritik bis zum Terror — einsetzen, je weniger sie als „privilegierte<br />

Klasse", als „Gegenaristokratie", die „Folgen ihrer Agitation<br />

zu verantworten haben" (150).<br />

Dagegen steht das „Ethos der <strong>Institut</strong>ionen", eine Moral, „die man"<br />

nach Gehlen „überzeugend nur von oben her, aus der Herrschaftslage<br />

darstellen kann" (116). Geführt von der Staatsraison, hat sie ihr Maß<br />

in den Notwendigkeiten der „Gefahrengemeinschaft" (112), „denn<br />

für ganze Nationen gibt es oberhalb der Selbsterhaltung kein Gebot"<br />

(119). Das Fundament dieser Moral sind nicht die Wünsche der<br />

Menschen, sondern die „Wahrheit, daß Leben von Leben zehrt" (108),<br />

ihre Rationalität gewinnt sie aus dem „Bewußtsein des Ausgeliefertseins"<br />

(58). Wo sie herrscht, ist die Haltung des Individuums zum<br />

Wert nicht Anspruch, sondern Opfer, sind ihre Tugenden die des asketischen<br />

Dienstes. So sind auch „Verdun und Stalingrad" für Gehlen<br />

„eben doch Siegeszeichen" (120) und werden es bleiben, denn der<br />

Kampf der Mächte geht weiter. Aus ihm gibt es kein Entrinnen: „Das<br />

Schwert, das man aus der Hand legt, ergreift ein anderer." Diese<br />

Wahrheit ist nur bei den auf „moralische Krankenkost" (120) gesetzten<br />

endgültig Besiegten wie den bundesrepublikanischen Deutschen<br />

nicht mehr in Ansehen. Sie haben „abgeschnallt" (146) und richten<br />

sich „in der Lüge ein" (185). Gehlen zieht in gelehrter Zweideutigkeit<br />

das Fazit: „Es lohnt sich nicht, die Griechen zu retten, sondern essen<br />

soll man und Wein trinken" (69).<br />

Regie führt in diesem Buch eine zynische Strategie der Enttäuschung,<br />

der Pluralismus ist nur die Fassade dafür. Ziel ist, die Enttäuschung<br />

über die Ohnmacht der Moral so unerträglich zu machen,<br />

daß die Enttäuschung zur Triebkraft des Verzichts auf die täuschenden<br />

Hoffnungen wird und umschlägt in die Anerkennung der Übermacht<br />

der Macht. Dann kann der Schluß heißen: Wenn schon das<br />

Ethos der Humanität unvermeidlich in Aggressivität mündet, warum<br />

dann nicht von vornherein die Anerkennung der Aggresivität im<br />

Ethos der Macht. Wenn das Gewissen nur das „Erlebnis der Ausweglosigkeit"<br />

(175) ist, kann die Inanspruchnahme durch „institutionelle<br />

Haftung" (99), die nach Gehlen gerade auch dann anzuerkennen ist,<br />

wenn kein eigenes Verschulden besteht, als Befreiung erscheinen.<br />

Offenbar ist die von Gehlen propagierte Ethik alles andere als<br />

pluralistisch. Schon die Reduktion der absoluten Moral auf Machtinteressen<br />

zeigt, wer in diesem Pluralismus das Kommando führt.<br />

Pluralistisch ist diese Ethik nur insofern, als sie eine Vielzahl von<br />

Gruppen zuläßt, die alle die gleiche Ethik anerkennen; pluralistisch<br />

kann hier nur heißen, im Zeichen der einen anerkannten Ethik nicht<br />

vereinigt, sondern getrennt zu sein zum Kampf um ein und dasselbe:<br />

die Macht. Wo Gehlens Pluralismus herrscht, ist die Moral eines<br />

Glücks im Leben mit anderen nur im Abseits der machtgeschützten<br />

Innerlichkeit und Intimität geduldet und auch nur auf Zeit, so lange<br />

nämlich, wie es die <strong>Institut</strong>ionen der Macht gutdünkt.<br />

Nach demselben Gutdünken ist die These von der Erweiterung<br />

ursprünglich instinktartiger Sozialregulationen konstruiert. Lediglich

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