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Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...

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Die Ursachen der Studentenbewegung 383<br />

bürgertums: die falsche Alternative alte contra neue Universität<br />

wird ersetzt durch die ebenso falsche: absteigende bildungsbürgerliche<br />

Geisteswissenschaftler contra aufsteigende Erfahrungswissenschaftler.<br />

Danach besteht der „Wurzelgrund der studentischen Rebellion"<br />

darin, daß die Anwartschaft auf einen elitären gesellschaftlichen<br />

Status von den Human- auf die Naturwissenschaftler übergegangen<br />

sei, weshalb lediglich die absteigenden Humanisten „im<br />

revolutionären Gewand ..., im Grunde der Einheit der alten bürgerlichen<br />

Bildungsgesellschaft" nachtrauern, „die mit den beiden Weltkriegen<br />

untergegangen ist" 31 . Falsch ist diese Gegenüberstellung, weil<br />

es nicht um den Abstieg der einen und den Aufstieg der anderen<br />

Fachwissenschaftler geht, sondern um eine Polarisierung als Folge<br />

der Funktionalisierung, die die einen so gut wie die anderen betrifft<br />

und die Fachbereichsgrenzen horizontal durchschneidet. Ihren Ausgangspunkt<br />

in der Realität hat die These vom untergehenden Bildungsbürgertum<br />

zweifellos darin, daß der Entzug von Privilegien<br />

und liberalen Freiheiten als Folge der Kapitalisierung der Wissenschaft<br />

am deutlichsten und fühlbarsten in den universitären philosophischen<br />

Fakultäten vor sich ging, im Gegensatz z. B. zu den technischen<br />

Universitäten, die schon von Anfang an in den Verwertungsprozeß<br />

integriert waren. Das Ausschlaggebende an der durch<br />

einen solchen „Proletarisierungsruck" geförderten Studentenbewegung<br />

ist aber gerade, daß sie ihre Privilegien nicht, wie die revoltierenden<br />

Mittelschichten in der Weimarer Republik, die dadurch<br />

den <strong>Faschismus</strong> ermöglichten, durch ein Rückwärtsdrehen der gesellschaftlichen<br />

Entwicklung zu erhalten versucht. Man hat einsehen<br />

gelernt, daß eine den Interessen der Lernenden gerecht werdende<br />

Ausbildung nicht dadurch möglich wird, daß man die geschichtliche<br />

Entwicklung der Integration von Wissenschaft in den Produktionsprozeß<br />

zu bremsen oder zu ignorieren versucht, sondern dadurch,<br />

daß man die Ausrichtung der Produktionsorganisation auf private<br />

Profiterwirtschaftung aufhebt. Genau dies, der entscheidende Bewußtwerdungsprozeß<br />

in der Studentenbewegung, die Überwindung<br />

ständischer und kleinbürgerlicher Borniertheit, wird von den Ideologen<br />

der Gegenseite unterschlagen.<br />

Eine der seltenen Ausnahmen, die die Hochschulkrise nicht als<br />

Problem technokratischer, sondern mehr demokratischer Rückständigkeit<br />

auffaßt, bildet die Studie Friedeburgs u. a.; die Frage, „warum<br />

die Studentenbewegung in Deutschland von der Freien Universität<br />

Berlin ihren Ausgang nahm" 32 , wird beantwortet mit der „Diskrepanz<br />

zwischen den Erwartungen der hochschulpolitisch aktiven Studenten",<br />

die eine überdurchschnittliche, demokratisch orientierte<br />

31 Kernig, in: Schwan/Sontheimer, S. 120; ebenso sehr ausführlich<br />

Scheuch, Aspekte, S. 11—15; vgl. dagegen Schmierers (a.a.O.) berechtigten<br />

Versuch einer Relativierung der Theorie von der Produktivkraft Wissenschaft<br />

in Hinsicht auf die Entstehung der Studentenbewegung im „verrottetsten<br />

Winkel der Ideologie der Bourgeoisie" (6), nämlich an der Phü.<br />

Fak.<br />

32 Friedeburg, S. 8.

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